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Uni-Info 6/2013 Pressemitteilung 26. Juni 2013

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Department für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften
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  • Wie ökologisch kann der Strom künftig fließen? Wissenschaftler von EnGeno untersuchen unter anderem, welche Perspektiven eine Dezentralisierung des Energiesystems bietet. Foto: photocase/bilderfang

Energiewende: Neues Wirken einer alten Idee

Immer mehr Bürger beteiligen sich an Energiegenossenschaften. Welche Rolle kann die kooperative Unternehmensform künftig spielen? Das neue BMBF-Verbundprojekt „EnGeno” soll Antworten auf diese Frage liefern. Irene Antoni-Komar und Niko Paech über die konkreten Forschungsziele.

 

 

Immer mehr Bürger beteiligen sich an Energiegenossenschaften. Welche Rolle kann die kooperative Unternehmensform künftig spielen? Das neue BMBF-Verbundprojekt „EnGeno” soll Antworten auf diese Frage liefern. Irene Antoni-Komar und Niko Paech über die konkreten Forschungsziele.

FRAGE: Von 2008 bis 2011 hat sich die Zahl nachhaltiger Energiegenossenschaften vervierfacht. Warum kehrt die Genossenschaftsidee so stark wieder?

ANTONI-KOMAR: In verschiedenen Bereichen unserer Gesellschaft beobachten wir eine Zunahme des Engagements von Bürgerinnen und Bürgern, die an einer zukunftsfähigen und nachhaltigen Entwicklung aktiv mitwirken wollen. Denken wir nur an die zahlreichen Transition-Town-Initiativen bundesweit, in denen sich Menschen lokal vernetzen und austauschen, um gemeinsam eine zukunftsfähige Gesellschaft zu gestalten. Genossenschaften bieten hier als kooperative Unternehmensform eine gute Möglichkeit, wirtschaftliches Handeln mit sozialen, kulturellen und ökologischen Zielen zu verbinden.

PAECH: Das Attraktive an Genossenschaften ist, dass gemäß dem Prinzip „Ein Mensch - eine Stimme” der Weg zu einer demokratischeren Entscheidungsfindung gebahnt wird. Jeder Mensch mit nur einem Genossenschaftsanteil hat dieselbe Macht wie jemand, der das Hundertfache an Kapital gezeichnet hat. Deswegen haben viele Menschen ein Motiv, gar nicht um der Kapitalverwertung, sondern um der gesellschaftlichen Veränderung willen mitzumachen. Das stellt die Logik herkömmlicher Unternehmensformen auf den Kopf: Wer mit viel Geld einsteigt, um hohe Renditen zu erzielen, kann von einkommensschwachen Mitgliedern, die mit Ach und Krach einen Anteil erworben haben, glatt überstimmt werden.

FRAGE: Ist mit Bürgerenergieanlagen die Energiewende zu meistern?

PAECH: Aufgrund des genannten Demokratisierungseffektes kann behutsamer mit Zielkonflikten und Nebenfolgen umgegangen werden. Beispielsweise: Soll unser Windpark tatsächlich in ein Landschaftsschutzgebiet gebaut werden, weil er dort die höchste Rendite abwirft? Oder wollen wir uns mit einer geringeren betriebswirtschaftlichen Ausbeute zufrieden geben, um Klimaschutz nicht auf dem Rücken der Naturgüter auszutragen? Nur wenn das Kapital und folglich die Entscheidungsmacht sich auf eine möglichst breite personelle Basis erstreckt, können derlei Konflikte weitgehend hierarchiefrei und partizipativ bearbeitet werden. Die Chance, über die geringe Eintrittshürde – mit 100 Euro kann ich meistens schon einsteigen – viele Interessen einzubinden, ist hoch.

FRAGE: Und wo sehen Sie die Probleme?

 

Transformation in Richtung regionale Selbstversorgung

 

PAECH: Eher dort, wo die sogenannte „Energiewende“ allein darin besteht, mehr Energie zu produzieren, statt Energieverbräuche unnötig zu machen, also zu sparen. Aber hier wird's spannend für unser Projekt: Kann es sein, dass Energiegenossenschaften einen geeigneteren Kontext für jene Innovationen bilden, die neue Formen der Energieeinsparung erschließen und in unternehmerisches Handeln übersetzen?

FRAGE: Mit dem Projekt EnGeno wollen Sie Potenzial und Wirkungschancen der Energiegenossenschaften heben. Mit welchen Fragen haben Sie es dabei konkret zu tun?

ANTONI-KOMAR: Wir fragen nach den Gestaltungspotenzialen von Energiegenossenschaften für die Energiewende. Dabei geht es ja nicht nur um ökonomische Ziele der Energieeffizienz, sondern auch um ökologische Perspektiven einer Dezentralisierung des Energiesystems, des Einsatzes von postfossilen und postatomaren erneuerbaren Energien bis hin zu den 100 Prozent-Erneuerbare-Energie-Regionen. Das bedeutet eine Transformation des Energiesystems in Richtung regionale Selbstversorgung, bei der sich die Menschen vor Ort gemeinsam um die Energieerzeugung, aber auch um Energieeinsparung kümmern. Also Daseinsvorsorge betreiben.

PAECH: Wir wollen auch solche Energiegenossenschaften untersuchen, die als Netzbetreiber tätig werden wollen. Und wir wollen herausfinden, wie die Energiegenossenschaften entstehen, etwa ob sie aus Netzwerken, Bürgerinitiativen oder anderen organisationalen Vorstufen hervorgehen.

 

Wie wirken Genossenschaften auf Lebensstile ihrer Mitglieder?

 


FRAGE: Im Projekt wollen sie auch die Handlungsspielräume untersuchen, die die Energiegenossenschaften für nachhaltige Lebensqualität bieten. Was ist genau damit gemeint?

ANTONI-KOMAR: Es interessiert uns, welche Wirkungen von der Beteiligung an Energiegenossenschaften auf die Lebensstile der Mitglieder ausgehen. Verändert sich zum Beispiel der ökologische Fußabdruck dahingehend, dass die sozialen Praktiken CO2-ärmer werden? Strahlt die Beteiligung an der Energiegenossenschaft auch auf andere Lebensbereiche aus?

PAECH: Nicht uninteressant ist auch die Frage, ob Menschen, die sich in Energiegenossenschaften engagieren, mit weniger Kapitalverwertung, eventuell sogar mit minimalen Renditen zufrieden sind. Das könnte den Wachstumsdruck mildern. Das Dualitätsprinzip lässt ja Konstellationen zu, in denen Genossenschaftsmitglieder zugleich Kapitalgeber und Kunden ihres Unternehmens sind, das heißt sie wollen sich einfach nur gut versorgen können und nicht auch noch eine fette Rendite kassieren. Auf diese Weise orientiert sich das Wirtschaften wieder an den Bedürfnissen der Beteiligten und nicht an purer Geldvermehrung.

FRAGE: Was sind nun die nächsten Schritte, das Projekt voranzutreiben?

ANTONI-KOMAR: Wir werden in nächster Zukunft auf unsere Praxispartner, die beteiligten Energiegenossenschaften, zugehen und mit diesen aus den verschiedenen Arbeitspaketen heraus Befragungen und Experteninterviews führen, die wir dann auswerten und in Workshops gemeinsam diskutieren. Damit soll sowohl die personelle Ebene der Mitglieder wie auch die organisationale Ebene von Energiegenossenschaften als kooperativer Unternehmensform näher beleuchtet werden.

Arbeit an einer Typologie der Energiegenossenschaften

 

Außerdem werden wir an einer Typologie der Energiegenossenschaften arbeiten, um deren Entstehung, Stabilisierung und Diffusion besser verstehen zu können. Schließlich wird mit der Arbeit an drei unterschiedlichen Szenarien begonnen, um valide Kriterien zur Wirkung von Energiegenossenschaften auf der Ebene des Energiesystems zu erreichen. Wir fragen nach der Bedeutung von Energiegenossenschaften in einer zentralen Versorgung, einer weitgehend dezentralen Versorgung im Regionenverbund und einer regionalen Selbstversorgung.

FRAGE: Wo wollen Sie mit dem Projekt nach Ablauf der dreijährigen Förderung durch das BMBF stehen?

ANTONI-KOMAR: Unser Ziel ist es, in enger Verzahnung mit unseren Praxispartnern die Potenziale von Energiegenossenschaften zu identifizieren und zu erproben, um so die Realisierung einer partizipativen und bürgernahen Energiewende wissenschaftlich zu begleiten und in der Praxis voranzubringen.

PAECH: Es wäre überdies ein Ansinnen, Genossenschaften als besonderen Unternehmenstypus in umfassendere Entwürfe einer nachhaltigen Entwicklung zu integrieren. Vielleicht lernen wir, wie die Betriebswirtschaftslehre umgeschrieben werden muss, damit sie mit einer Wirtschaft ohne Wachstum harmonieren kann.

FRAGE: Projektpartner sind das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig, das Institut dezentrale Energietechnologien gGmbH (IdE) in Kassel, das Eduard Pestel-Institut für Systemforschung in Hannover sowie verschiedene Energiegenossenschaften. Welche Aufgaben übernimmt Oldenburg?

ANTONI-KOMAR: Wir koordinieren das Verbundprojekt, sind aber auch mit eigenen Arbeitspaketen beteiligt. Es geht dabei einerseits um die kooperative Organisationsform der Energiegenossenschaft sowie um die Fragen ihrer Entstehung, Stabilisierung und Diffusion. Außerdem sind wir sehr stark in dem transdisziplinären Ansatz des Projektes aktiv, das heißt wir arbeiten eng mit dem in Hannover ansässigen Pestel Institut für Systemforschung zusammen, das uns dabei unterstützt, unsere Ergebnisse in der Praxis zu erproben.

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