Transformation in Richtung regionale SelbstversorgungPAECH: Eher dort, wo die sogenannte „Energiewende“ allein darin besteht, mehr Energie zu produzieren, statt Energieverbräuche unnötig zu machen, also zu sparen. Aber hier wird's spannend für unser Projekt: Kann es sein, dass Energiegenossenschaften einen geeigneteren Kontext für jene Innovationen bilden, die neue Formen der Energieeinsparung erschließen und in unternehmerisches Handeln übersetzen? FRAGE: Mit dem Projekt EnGeno wollen Sie Potenzial und Wirkungschancen der Energiegenossenschaften heben. Mit welchen Fragen haben Sie es dabei konkret zu tun? ANTONI-KOMAR: Wir fragen nach den Gestaltungspotenzialen von Energiegenossenschaften für die Energiewende. Dabei geht es ja nicht nur um ökonomische Ziele der Energieeffizienz, sondern auch um ökologische Perspektiven einer Dezentralisierung des Energiesystems, des Einsatzes von postfossilen und postatomaren erneuerbaren Energien bis hin zu den 100 Prozent-Erneuerbare-Energie-Regionen. Das bedeutet eine Transformation des Energiesystems in Richtung regionale Selbstversorgung, bei der sich die Menschen vor Ort gemeinsam um die Energieerzeugung, aber auch um Energieeinsparung kümmern. Also Daseinsvorsorge betreiben. PAECH: Wir wollen auch solche Energiegenossenschaften untersuchen, die als Netzbetreiber tätig werden wollen. Und wir wollen herausfinden, wie die Energiegenossenschaften entstehen, etwa ob sie aus Netzwerken, Bürgerinitiativen oder anderen organisationalen Vorstufen hervorgehen.
Wie wirken Genossenschaften auf Lebensstile ihrer Mitglieder?
FRAGE: Im Projekt wollen sie auch die Handlungsspielräume untersuchen, die die Energiegenossenschaften für nachhaltige Lebensqualität bieten. Was ist genau damit gemeint? ANTONI-KOMAR: Es interessiert uns, welche Wirkungen von der Beteiligung an Energiegenossenschaften auf die Lebensstile der Mitglieder ausgehen. Verändert sich zum Beispiel der ökologische Fußabdruck dahingehend, dass die sozialen Praktiken CO2-ärmer werden? Strahlt die Beteiligung an der Energiegenossenschaft auch auf andere Lebensbereiche aus? PAECH: Nicht uninteressant ist auch die Frage, ob Menschen, die sich in Energiegenossenschaften engagieren, mit weniger Kapitalverwertung, eventuell sogar mit minimalen Renditen zufrieden sind. Das könnte den Wachstumsdruck mildern. Das Dualitätsprinzip lässt ja Konstellationen zu, in denen Genossenschaftsmitglieder zugleich Kapitalgeber und Kunden ihres Unternehmens sind, das heißt sie wollen sich einfach nur gut versorgen können und nicht auch noch eine fette Rendite kassieren. Auf diese Weise orientiert sich das Wirtschaften wieder an den Bedürfnissen der Beteiligten und nicht an purer Geldvermehrung. FRAGE: Was sind nun die nächsten Schritte, das Projekt voranzutreiben? ANTONI-KOMAR: Wir werden in nächster Zukunft auf unsere Praxispartner, die beteiligten Energiegenossenschaften, zugehen und mit diesen aus den verschiedenen Arbeitspaketen heraus Befragungen und Experteninterviews führen, die wir dann auswerten und in Workshops gemeinsam diskutieren. Damit soll sowohl die personelle Ebene der Mitglieder wie auch die organisationale Ebene von Energiegenossenschaften als kooperativer Unternehmensform näher beleuchtet werden.
Arbeit an einer Typologie der EnergiegenossenschaftenAußerdem werden wir an einer Typologie der Energiegenossenschaften arbeiten, um deren Entstehung, Stabilisierung und Diffusion besser verstehen zu können. Schließlich wird mit der Arbeit an drei unterschiedlichen Szenarien begonnen, um valide Kriterien zur Wirkung von Energiegenossenschaften auf der Ebene des Energiesystems zu erreichen. Wir fragen nach der Bedeutung von Energiegenossenschaften in einer zentralen Versorgung, einer weitgehend dezentralen Versorgung im Regionenverbund und einer regionalen Selbstversorgung. FRAGE: Wo wollen Sie mit dem Projekt nach Ablauf der dreijährigen Förderung durch das BMBF stehen? ANTONI-KOMAR: Unser Ziel ist es, in enger Verzahnung mit unseren Praxispartnern die Potenziale von Energiegenossenschaften zu identifizieren und zu erproben, um so die Realisierung einer partizipativen und bürgernahen Energiewende wissenschaftlich zu begleiten und in der Praxis voranzubringen. PAECH: Es wäre überdies ein Ansinnen, Genossenschaften als besonderen Unternehmenstypus in umfassendere Entwürfe einer nachhaltigen Entwicklung zu integrieren. Vielleicht lernen wir, wie die Betriebswirtschaftslehre umgeschrieben werden muss, damit sie mit einer Wirtschaft ohne Wachstum harmonieren kann. FRAGE: Projektpartner sind das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig, das Institut dezentrale Energietechnologien gGmbH (IdE) in Kassel, das Eduard Pestel-Institut für Systemforschung in Hannover sowie verschiedene Energiegenossenschaften. Welche Aufgaben übernimmt Oldenburg? ANTONI-KOMAR: Wir koordinieren das Verbundprojekt, sind aber auch mit eigenen Arbeitspaketen beteiligt. Es geht dabei einerseits um die kooperative Organisationsform der Energiegenossenschaft sowie um die Fragen ihrer Entstehung, Stabilisierung und Diffusion. Außerdem sind wir sehr stark in dem transdisziplinären Ansatz des Projektes aktiv, das heißt wir arbeiten eng mit dem in Hannover ansässigen Pestel Institut für Systemforschung zusammen, das uns dabei unterstützt, unsere Ergebnisse in der Praxis zu erproben.