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Universitätsklinik für Innere Medizin - Onkologie

Originalpublikation 

Vita

Frank Griesinger leitet seit 2006 die Abteilung für Internistische Onkologie am Pius-Hospital. Seit 2018 ist er Professor für Innere Medizin – Onkologie an der medizinischen Fakultät und Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin – Onkologie am Pius-Hospital Oldenburg. Seine Schwerpunkte und Spezialgebiete sind unter anderem die Therapie von Lungenkrebs, Brustkrebs und Lymphomen sowie die Hämatologische Diagnostik.

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Prof. Dr. Frank Griesinger

Department für Humanmedizin

  • Zwei Ärzte sehen ein Röntgenbild der Lunge an.

    Die Entwicklung von Medikamenten, die auf spezielle Mutationen abzielen, mache große Fortschritte, gerade auch bei Lungenkrebs, sagt der <spezialist für Lungenkrebs, Prof. Dr. Frank Griesinger. Foto: iStock/ Goodboy Picture Company

  • Prof. Dr. Griesinger und Mitarbeiterin Annika Konowski im hämatologischen Labor des Pius-Hospital Oldenburg.

    Der Onkologe Frank Griesinger und seine Mitarbeiterin Labor Annika Konowski im Labor für hämatologische Diagnostik des Pius-Hospital. Foto: Pius-Hospital

Lungenkrebs besser behandeln

Krebserkrankungen zielgerichtet zu behandeln, ist dank neuer Forschungserkenntnisse immer besser möglich. Im Interview erläutert der Onkologe Frank Griesinger die Ergebnisse einer aktuellen klinischen Studie.

Krebserkrankungen zielgerichtet zu behandeln, ist dank neuer Erkenntnisse immer besser möglich. Im Interview erläutert Frank Griesinger, Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin — Onkologie am Pius-Hospital, aktuelle Forschungsergebnisse.

Herr Prof. Dr. Griesinger, Sie untersuchen unter anderem in klinischen Studien, wie sich bestimmte Formen von Lungenkrebs, die auf einer bekannten genetischen Veränderung beruhen, mit Medikamenten gezielt behandeln lassen. Was ist das Besondere an diesem Ansatz?

Jeder Krebs basiert auf einer oder mehreren Genmutationen – also Veränderungen im Erbgut einer Körperzelle, die aus einer gesunden eine bösartige Zelle machen. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von Onkogenen. Inzwischen sind viele solcher Mutationen bekannt, wie beispielsweise die sogenannte KRAS-Mutation, die bei vielen Krebsarten eine Rolle spielt. Die Entwicklung von Medikamenten, die auf diese Mutationen abzielen, macht große Fortschritte, gerade auch bei Lungenkrebs. Diese Medikamente haben aufgrund ihrer Wirksamkeit und der Verträglichkeit Vorteile gegenüber der eher unspezifischen Chemotherapie.

Vor kurzem sind die Ergebnisse einer klinischen Studie im Fachmagazin „The New England Journal of Medicine“ erschienen, an der Sie beteiligt waren. Worum ging es da?

Wir sind an der klinischen Forschung zu einem neuen Wirkstoff beteiligt, der Tepotinib heißt. Das Medikament hilft Patienten, die eine bestimmte Genmutation aufweisen. Wir finden diese bei drei bis vier Prozent aller Erkrankten mit einem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom, der häufigsten Form von Lungenkrebs. Das sind jährlich etwa 1.000 bis 1.200 Menschen in Deutschland. Die Mutation in dem Gen – wir Fachleute sprechen von einer MET Exon-14 skipping Mutation – führt dazu, dass ein bestimmtes Protein in der Zelle nicht mehr abgebaut werden kann. Es sammelt sich in der Zelle an und trägt so dazu bei, dass diese sich in eine Tumorzelle umwandelt. Denn die Mutation schaltet eine Art Mülleimersignal aus, das normalerweise den Abbau des Proteins genau reguliert. Der neue Wirkstoff Tepotinib hemmt den Signalweg des übermäßig vorhandenen Proteins und führt damit zum Absterben der Krebszelle.

Wie kam es dazu, dass Sie an dieser internationalen Studie beteiligt waren?

Gemeinsam mit den Kollegen der Hämatopathologie Hamburg, PD Dr. Lukas Heukamp und Prof. h.c. Dr. Markus Tiemann, haben wir das Netzwerk NOWEL aufgebaut. Über dieses Netzwerk erhalten wir regelmäßig Gewebeproben von Patienten mit Lungenkrebs, die wir aufwändig auf genetische Veränderungen testen. Durch unsere Arbeit im Netzwerk können wir zudem Betroffenen im Rahmen der klinischen Studien innovative Medikamente anbieten. Das macht uns attraktiv für Patienten aus anderen Regionen Deutschlands, die für eine Behandlung zu uns kommen. Gerade bei den seltenen Erkrankungen gibt es eine hohe Bereitschaft, solche Gelegenheiten wahrzunehmen. Als universitäre Einrichtung genießen wir eine höhere Sichtbarkeit, die uns für die Durchführung von klinischen Studien attraktiv macht.

Welches sind die wichtigsten Ergebnisse der kürzlich veröffentlichten Studie?

Weltweit haben insgesamt 152 Erkrankte an der Studie teilgenommen, 99 davon haben wir über mindestens neun Monate begleitet. Aus Oldenburg waren acht Patienten dabei. Wir haben eine sogenannte Phase II-Studie durchgeführt. Das heißt, die Betroffenen haben das neue Medikament erhalten, ohne dass wir dies mit einer Standardtherapie, beispielsweise einer Chemotherapie, verglichen haben. Ziel war zu prüfen, ob Patienten mit der entsprechenden Mutation auf den Wirkstoff ansprechen. Das war bei 50 bis 60 Prozent der Fall – und zwar unabhängig von der Vortherapie. Das ist ein ermutigendes Ergebnis. Die Therapie ist außerdem sehr gut verträglich – bis auf Ödeme, die sich an den Beinen und Armen bilden können und manchmal nicht leicht zu behandeln sind.

Welche Vorteile haben solche zielgerichteten Therapien noch?

Die Patienten brauchen nur Tabletten zu nehmen – die sind natürlich deutlich einfacher zu verabreichen als eine Chemotherapie. Das Gute ist, dass die Betroffenen während der Therapie nicht so eingeschränkt sind. Manche fühlen sich so fit, dass sie ein völlig normales Leben führen können. Auch jetzt – während der Covid-19 Pandemie. Zwar haben die Betroffenen vermutlich ein leicht erhöhtes Risiko aufgrund ihrer Krebserkrankung. Aber viele können trotzdem noch arbeiten und so am Alltag teilnehmen und ihr soziales Leben aufrechterhalten.

Die Studie ist aber auch aus einem anderen Grund bedeutend…

Ja. Manchmal reicht das Gewebe, das wir von erkrankten Personen erhalten, nicht aus, um die Tests auf genetische Veränderungen durchzuführen. Daher versuchen wir, die genetische Veränderung des Tumors im Blut über eine sogenannte Flüssigbiopsie oder „liquid biopsy“ nachzuweisen. In dieser Studie war es zum ersten Mal möglich, Patienten nur aufgrund der in der liquid biopsy nachgewiesenen genetischen Veränderung  zu identifizieren und für die Therapie einzuschließen. Diese Diagnostik haben wir zusammen mit unseren Hamburger Kollegen entwickelt und führen sie auch am Pius-Hospital durch. Wir konnten zeigen, dass dieser Nachweis genauso gut ist wie die Untersuchung des Tumorgewebes.

Wie geht es jetzt weiter?

Das Medikament konnte bisher nur im Rahmen der Studie eingesetzt werden. Jetzt befindet es sich im beschleunigten Zulassungsverfahren bei der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA. Später folgt dann hoffentlich die Zulassung durch die europäische Behörde EMA. Zudem werden noch klinische Studien der Phase III folgen, um zu überprüfen, ob Patienten besser auf diese Therapie reagieren als auf eine Standardtherapie – wie beispielsweise eine Chemotherapie. Bei diesen Studienkonzepten werden wir in Oldenburg ebenfalls wieder dabei sein.

Interview: Constanze Böttcher

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