Unter dem Motto "Alle fürs Klima" demonstrieren heute weltweit Bürgerinnen und Bürger für einen umfassenden Klimaschutz. Bereits im März dieses Jahres haben deutschsprachige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer Stellungnahme die Forderungen der "Fridays for Future"-Bewegung unterstützt. Im Kurzinterview erläutert der Tropenökologe Gerhard Zotz, warum sich Oldenburger Forscher engagieren.
Herr Prof. Dr. Zotz, Sie selbst gehören zu den über 26.800 Experten, die bis Ende März die Stellungnahme unterzeichnet haben. Inzwischen steht auch in Oldenburg eine „Scientists for Future“-Initiative kurz vor der Gründung. Was hat Sie veranlasst, aktiv zu werden?
Die meisten Grundlagenforscher, wie ich auch, beschäftigen sich mit sehr speziellen Themen. So untersucht meine Gruppe zum Beispiel in Klimakammern, wie tropische Orchideen unter erhöhtem CO2 wachsen oder wie Bromelien bei höheren Temperaturen keimen. Und wir untersuchen in der natürlichen Umwelt, wie sich ganze Pflanzenbestände langfristig entwickeln. Die Kommunikation über unsere Ergebnisse geschieht dann vor allem innerhalb von Fachkreisen. Zwar gibt es den Weltklimarat, den IPCC, der regelmäßig Berichte zum Klimawandel und seinen Folgen veröffentlicht. Diese Berichte sind natürlich in den Medien präsent. Aber der Klimawandel ist eine riesige Herausforderung und die katastrophalen Konsequenzen einer Politik der Nichtstuns und des Verschleppens zeichnen sich immer klarer ab. Angesichts dessen können auch die nicht im IPCC aktiven Wissenschaftler bei der gesellschaftlichen Debatte nicht weiter nur zuschauen, sondern müssen sich einmischen.
Warum ist es Ihrer Meinung nach wichtig, dass Wissenschaftler öffentlich zu Fragen des Klimaschutzes Stellung nehmen?
Wissenschaftliche Erkenntnisse sollten in einer aufgeklärten Gesellschaft die Basis politischen Handels darstellen. Dies gilt nicht nur für die Klimadiskussion, sondern auch für andere aktuelle gesellschaftliche Debatten wie beispielsweise die über zu niedrige Impfraten. Dabei geben wir aber keine Anweisungen. Die Schlussfolgerungen, die Politik und Gesellschaft aus wissenschaftlicher Erkenntnis ziehen, ergeben sich aus einem demokratischen Prozess. Dieser läuft allerdings nicht nach wissenschaftlichen Kriterien ab. Denn hier geht es um kurz- und langfristige Interessen unterschiedlicher Gruppen, um Ängste, um schwer zu ändernde Überzeugungen, um liebgewonnene Gewohnheiten, die man nicht aufgeben möchte. Doch bei aller Vielfalt der Meinungen: Die Fakten müssen stimmen. Wenn das aber oft nicht gegeben ist wie in vielen Diskussionen um den Klimawandel, müssen wir angesichts der Dimension des Problems als Wissenschaftler und als Bürger dieses Landes Stellung beziehen.
Wie möchten Sie und Ihre Mitstreiter konkret in Oldenburg zur Debatte um den Klimawandel beitragen?
Wir wollen diese Debatte nicht nur nutzen, um mit der Oldenburger Bevölkerung über den Klimawandel zu diskutieren, sondern um einen ganz grundsätzlichen Dialog über Wissenschaft zu führen. Nur wenn man versteht, wie wissenschaftliche Erkenntnis gewonnen wird, kann man beispielsweise Pressemitteilungen, dass „Cholesterin jetzt doch nicht schädlich“ ist oder dass es auch Wissenschaftler gibt, die den Einfluss des Menschen auf das Klima für eher gering halten, richtig einordnen. Wissenschaft ist ein Prozess! Als konkretes Format für diesen Dialog planen wir eine monatliche Vortrags- und Diskussionsreihe, in der wir die wissenschaftliche Methode reflektieren und das Thema Klimawandel aus Sicht verschiedenster Fachdisziplinen beleuchten, so zum Beispiel aus der Sicht der Philosophie, der Wirtschaftswissenschaft, der Sozialwissenschaften oder der Biologie. Hier ist die Universität als Ganzes gefordert. Wie wir uns dieser Herausforderung als Universität stellen, ist für mich persönlich eine sehr positive Erfahrung.