Viele Jugendliche fühlen sich mit ihren Fragen zu sexueller Aufklärung alleingelassen. Für sie entwickeln Antonia Böttinger, Jana-Marie Pyrek und Sarah Holzenkamp im Projekt „LOVIS“ einen Chatbot und gründen dabei ein Start-up.
Managementkonzepte, Entrepreneuership, Accounting, Marketing – Sarah Holzenkamp, Antonia Böttinger und Jana-Marie Pyrek kennen diese Begriffe gut von ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftswissenschaften an der Universität Oldenburg. Doch was es bedeutet, dieses Grundlagenwissen in die Tat umzusetzen, erfahren sie, seit sie eine eigene Gründungsidee verfolgen.
Im November 2020 nahmen sie am Social Innovation Camp teil, das die Innovative Hochschule Jade-Oldenburg!, ein Transferprojekt der Universität Oldenburg, der Jade Hochschule und des Informatikinstituts Offis. ausgerichtet hatte. Innerhalb von drei Tagen entwickelten die Teilnehmenden ein eigenes Konzept für eine soziale Innovation. Dabei entstand die Idee für das Projekt „LOVIS“ – ein Chatbot zur sexuellen Aufklärung von Jugendlichen.
Hilfe für Jugendliche – rund um die Uhr
„Viele Fragen, die Teenager rund um ihre eigene Sexualität haben, werden ihnen von Eltern oder Lehrkräften nicht beantwortet“, sagt Pyrek. Auch auf Onlineportalen finden Teenager nicht immer seriöse Hilfe. So entstand die Idee eines Chatbots, der mit Hilfe von künstlicher Intelligenz individuelle Fragen automatisch beantwortet. Ein weiterer Vorteil gegenüber Websites oder einer Beratung per Mail: „Die Jugendlichen bekommen Informationen in Echtzeit, zum Beispiel auch mitten in der Nacht, wenn Sorgen sie am Schlafen hindern“, erläutert Böttinger. Den Vornamen „LOVIS“ wählte das Team, um den Chatbot wie eine persönliche Ansprechperson wirken zu lassen. „Außerdem ist der Name geschlechtsneutral und spielt auf den Begriff „love“ an“, sagt Pyrek.
Mit ihrem Konzept setzte sich die Gruppe durch und gewann den Innovationspreis, den die IHJO zum Abschluss der Veranstaltung verlieh. Prof. Dr. Stephanie Birkner, Dozentin für Female Entrepreneurship und eine der Referentinnen des Camps, und Prof. Dr. Alexander Nicolai, Dozent für Entrepreneurship, ermutigten die Gruppe anschließend, ihre Idee in die Tat umzusetzen und boten ihre Unterstützung an. Zusätzlich hatte das Team durch das Camp von vielfältigen Fördermöglichkeiten für soziale Innovationen erfahren. „Wir beschlossen, weiterzumachen und einfach zu schauen, wie weit wir kommen“, sagt Pyrek.
Vielfältige Förderung: Workshops, Coaching und Geld
An ihrem Projekt arbeitet Böttinger seitdem neben ihrem Studium, Pyrek neben ihrer Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Oldenburg. Holzenkamp, die dritte im Bunde, ist Prüfungsleiterin in der Wirtschaftsprüfung und ersetzt Mara Wendt-Thorne, die ursprünglich Teammitglied war. Noch im November 2020 bewarb sich die Gruppe erfolgreich beim Social Innovation Center Hannover, einem Entrepreneurship-Programm der Wirtschaftsförderung Hannover.
Hier arbeiteten die Jungunternehmerinnen in Workshops mit Expertinnen und Experten beispielsweise daran, ihre Zielgruppe genauer zu definieren. Sie lernten, mit Ertragsmodellen festzulegen, wie sich das Projekt finanzieren soll, und Konzepte für das Marketing zu erstellen. Auch bei digital.engagiert, einer Förderinitiative von Amazon und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, setzte sich das Team durch und gewann neben regelmäßigen Coachings 10.000 Euro für sein Projekt.
Auch innerhalb der Universität nutzte und erweiterte die Gruppe ihr Netzwerk. Hilfe erhielt sie unter anderem vom Gründungs- und Innovationszentrum (GIZ), das Universitätsangestellte und -alumni bei Firmengründungen unterstützt. Böttinger, Pyrek und Holzenkamp nahmen an Veranstaltungen teil, etwa zum Thema Marktforschung, und ließen sich individuell beraten.
„Viel Leidenschaft für das eigene Projekt“
Zusätzlich tauschte sich das Team mit Prof. Dr. Oliver Kramer aus. Der Hochschullehrer für Computational Intelligence erklärte beispielsweise, welche Arten von Chatbots es gibt und worauf es beim Programmieren ankommt. „Einige Chatbots erlauben es ihren Nutzerinnen und Nutzern, frei formulierte Fragen zu stellen“, erläutert Holzenkamp. „Andere lenken die Nutzerinnen und Nutzer, indem sie ihnen Fragen stellen und so das Themengebiet immer weiter eingrenzen.“ Beide Varianten hätten gemeinsam, dass große Datenmengen, etwa vorgefertigte Fragen und Antworten, vorhanden sein müssen. Um ihren Bot mit konkreten Fragen von Jugendlichen füttern zu können, ist das Team sowohl mit der Zielgruppe als auch mit Lehrkräften sowie Ärztinnen und Ärzten in Kontakt.
Inzwischen hat die Gruppe eine weitere ehrenamtliche Mitarbeiterin, um ihre vielfältigen Aufgaben zu schultern. Eine Testversion des Chatbots wollen sie bis zum Winter erstellen. Darüber hinaus bewerben sie sich weiterhin um Förderung und beschäftigen sich mit der Frage, welche Rechtsform für ihr Start-up passend ist – etwa eine GmbH oder gGmbH. Zahlreiche Abende und Wochenenden haben sie schon für „LOVIS“ investiert. „Viele Fragen und Herausforderungen ergeben sich erst im Gründungsprozess selbst, lassen sich dann aber auch lösen“, sagt Böttinger. „Man braucht nicht von Anfang an ein ausgeklügeltes Konzept, aber viel Leidenschaft und Engagement für das eigene Projekt."