• Abdullaevas Prototyp wandelt einfallendes Licht in elektrische Impulse um, die die Nervenzellen im Auge stimulieren. Foto: Анна Ковальчук / Adobe Stock

Die Solarzelle im Auge

Makuladegeneration ist die häufigste Ursache für altersbedingte Blindheit in den westlichen Industriestaaten. Die Doktorandin Oliya Abdullaeva hat nun ein Verfahren entwickelt, um Betroffenen zu helfen.

Makuladegeneration ist die häufigste Ursache für altersbedingte Blindheit in den westlichen Industriestaaten. Die Doktorandin Oliya Abdullaeva hat nun ein Verfahren entwickelt, um Betroffenen zu helfen.

In Deutschland leiden über drei Millionen Menschen an Makuladegeneration. Heilbar ist die Krankheit nicht. Die Symptome lindern können jedoch sogenannte Sehprothesen. Diese wandeln Licht in elektrische Impulse um und stimulieren die Nervenzellen im Auge gezielt. Die Doktorandin Oliya Abdullaeva vom Institut für Physik und vom Institut für Biologie und Umweltwissenschaften der Universität Oldenburg hat nun einen Prototypen für eine solche Prothese entwickelt. Ihre Ergebnisse erschienen kürzlich in der Fachzeitschrift „Advanced Functional Materials“.

Bei der Makula handelt es sich um einen winzigen Bereich der Netzhaut des Auges, mit dem Menschen am schärfsten sehen. Auf dieser wenige Quadratmillimeter großen Fläche befinden sich besonders viele Sinneszellen. Bei der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) werden die Nervenzellen durch Ablagerungen oder krankhaft veränderte Blutgefäße zerstört. Die Sehfähigkeit der Betroffenen ist erheblich eingeschränkt – bis hin zur Erblindung.

Prototyp aus organischen Halbleitern

Bereits seit einiger Zeit erproben Forscher Sehprothesen aus anorganischem Silizium, um die Sehkraft der Patienten zumindest teilweise wiederherzustellen. Diese haben jedoch einige Nachteile. Sie können bislang nur maximal zwei Jahre lang verwendet werden und benötigen externe Batterien zur Stromversorgung. Betroffene müssen außerdem eine spezielle Brille tragen. Abdullaeva hat nun einen Prototypen entwickelt, der aus organischen Halbleitern besteht. Diese Materialien werden von biologischem Gewebe zum einen prinzipiell besser vertragen als Silizium-Chips, zum anderen können sie wie eine Solarzelle Licht in Strom umwandeln. Diese Stromimpulse sollen die Nervenzellen der Netzhaut stimulieren und so deren Lichtempfindlichkeit wiederherstellen. Voraussetzung dafür ist, dass bei den betroffenen Menschen lediglich der lichtempfindliche Teil der Nervenzellen zerstört ist. Das Ziel ist langfristig, die organischen Sehprothesen direkt in die Netzhaut zu implantieren.

Abdullaevas Prototypen bestehen derzeit noch aus einem quadratischen Glasplättchen mit einer Kantenlänge von einem Zentimeter, auf dem Modellzellen wachsen, die menschlichen Nervenzellen ähneln. Darüber finden sich winzige Elektroden und eine zusätzliche Beschichtung. Diese ist nur hundert Nanometer dick, also weniger als der Durchmesser eines menschlichen Haares. Fällt Licht auf die Halbleiterschicht, wandelt diese das Licht in elektrische Impulse um, die dann an die umliegenden Zellen weitergeleitet werden. Die Besonderheit dabei: Eine derart aufgebaute Sehprothese bräuchte keine externe Stromversorgung. Abdullaevas Prototypen passen sich außerdem der Netzhaut an. Ihre Oberfläche ist so beschaffen, dass sich Nervenzellen schnell darauf ansiedeln können.

Lichtintensives Verfahren

Ein weiterer Vorteil der organischen Halbleiter: Sie lassen sich so konstruieren, dass sie nur dann Strom produzieren, wenn Licht einer bestimmten Wellenlänge auf sie trifft. Abdullaevas Prototypen reagieren beispielsweise nur auf rotes Licht. Während Sehprothesen aus Siliziumchips nicht zwischen verschiedenen Farben des Lichts unterscheiden können, wäre mit organischen Halbeitern somit prinzipiell auch Farbensehen möglich.

Bevor Prothesen aus organischen Halbleitern in der Praxis eingesetzt werden können, wird es allerdings noch einige Zeit dauern. Das größte Problem: Derzeit ist Licht nötig, das um ein Vielfaches stärker als die gleißende Mittagsonne ist, um die organischen Halbleiter zu aktivieren. „Wir haben gezeigt, dass die Methode funktioniert. Nun geht es ums Feintuning“, sagt Prof. Dr. Manuela Schiek vom Institut für Physik der Universität Oldenburg, die Abdullaeva während ihrer Promotion betreute. In Zukunft werden sie und ihr Team vor allem daran arbeiten, die Halbleiter empfindlicher zu machen. Aktuell wird sie dabei von der PRO RETINA-Stiftung unterstützt.

Abdullaeva hat ihre Promotion im Graduiertenkolleg „Molecular Basis of Sensory Biology“ absolviert, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird. Sie ist mittlerweile Postdoktorandin am „Laboratory of Organic Electronics“ an der Universität in Linköping, Schweden. Ihre Doktorarbeit entstand in enger Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Neurosensorik der Universität Oldenburg von Prof. Dr. Karin Dedek, die Halbleitermaterialien wurden an der Universität Bonn hergestellt.

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