Eine Welt der Stille eröffnet sich hinter der Tür des sogenannten „reflexionsarmen Freifeldraums” auf dem Campus Wechloy. Zentrales Element des kürzlich renovierten Akustiklabors sind riesige Schallabsorber.
Geräusche von außen können nicht hinein, alle Schallwellen innen werden geschluckt: Der sogenannte „Reflexionsarme Freifeldraum“ der Universität Oldenburg ist einer der leisesten Räume Oldenburgs – und wohl einer der leisesten in ganz Deutschland. Nach knapp 40 Jahren war es notwendig geworden, das außergewöhnliche Akustiklabor umfassend zu renovieren: die keilförmigen Schallabsorber mussten allesamt ausgetauscht werden. Die Baumaßnahme wurde vom Staatlichen Baumanagement Region Nord-West und vom Büro Architekt Fritsch geplant und durchgeführt. Die Universität trägt die Kosten aus Eigenmitteln.
„Der reflexionsarme Raum ist eine zentrale Forschungseinrichtung für das Exzellenzcluster Hearing4all, den Sonderforschungsbereich Hörakustik sowie für viele weitere unserer Forschungsprojekte. Nicht zuletzt nutzen auch außeruniversitäre Hörforschungseinrichtungen den Raum“, betont der Akustiker Prof. Dr. Steven van de Par, dessen Abteilung das Labor betreibt. „Der renovierte Raum bietet nun wieder bestmögliche Bedingungen und die nötige Flexibilität für zahlreiche technische Messungen und unsere Tests mit Probandinnen und Probanden.“
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nutzen das Labor zum einen, um die akustischen Eigenschaften von Geräten wie Lautsprechern und Mikrofonen besonders präzise zu bestimmen, die sie für bestimmte Forschungsfragen benötigen. Zum anderen finden im Labor auch Hörexperimente mit Versuchspersonen statt, insbesondere zur räumlichen Wahrnehmung
Eine Akustik wie auf einer Bergspitze bei Windstille
Der renovierte Messraum befindet sich in einem eigenen Gebäudeteil, der an den Physik-Trakt auf dem Campus Wechloy angrenzt. Das fensterlose Labor wurde gemeinsam mit dem Hauptgebäude 1984 fertiggestellt und ist als „Raum im Raum“ konstruiert: Der Boden des Quaders steht auf Federn, die wiederum auf der Bodenplatte des Gebäudes ruhen. Alle anderen Wände haben einen Abstand von einem Meter zur Außenhülle, dazwischen befindet sich ein Hohlraum. Lüftung und Lampen lassen sich extrem geräuscharm betreiben. Alle sechs Wände – auch Decke und Boden – sind mit 1,50 Meter langen, keilförmigen Schallabsorbern isoliert. „Insgesamt sind es mehr als 2.500 Keile“, berichtet Dr. Stephan Töpken, der die Renovierung von fachlicher Seite gemeinsam mit dem Techniker Christoph Scheicht betreute.
Um Schallreflexionen innerhalb des Raumes zu vermeiden, war einiges an Aufwand nötig: So sind die neuen Absorber mit einer speziellen, nicht brennbaren Gewebehülle überzogen, die gleichzeitig kaum Schall zurückwirft. Um Versuchsaufbauten und Messgeräte installieren zu können, sind zwischen den Schallabsorbern an Boden und Decke einige wenige Stangen und Haken angebracht. „Unser Raum verfügt über kontrollierte akustische Bedingungen über fast den gesamten Hörfrequenzbereich“, betont Töpken.
Eine Besonderheit des Oldenburger Labors: Dank der enormen Ausmaße der Absorber werden auch Schallwellen bei tiefen Frequenzen effektiv absorbiert. Die Dämpfung reicht hinunter bis zu einer Frequenz von 50 Hertz, einem sehr tiefen Brummton. Weil der Schall aus keiner der drei Raumrichtungen zurückgeworfen wird, herrschen Bedingungen wie im Freien auf der Spitze eines Berges – Fachleute sprechen von „Freifeldbedingungen“.
Das Akustiklabor wird nicht nur von Forschenden verschiedener Fachbereiche der Universität genutzt, sondern auch von Teams der Jade Hochschule und des Fraunhofer-Instituts für Digitale Medientechnologie IDMT.