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Prof. Dr. Gunter Kreutz

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    Gemeinsames Singen kann positive Auswirkungen auf die Gesundheit haben - gerade für die Jüngsten der Gesellschaft. Foto: Adobe Stock/highwaystarz

  • Prof. Dr. Gunter Kreutz hat an der Universität die Professur für Systemische Musikwissenschaft inne. Seine Forschung beschäftigt sich unter anderem mit den Zusammenhängen zwischen Musik, Wohlbefinden und Lebensqualität. Foto: Universität Oldenburg

Singen im Wandel?

Chorproben verschwinden aus den Terminkalendern, Musikunterricht findet in den Schulen nur theoretisch statt, und in den Kirchen bleibt es still. Die Pandemie hat ihren Tribut auch beim Singen gefordert. Der Blick auf ein gefährdetes Kulturgut.

Chorproben verschwinden aus den Terminkalendern, Musikunterricht findet in den Schulen nur theoretisch statt, und in den Kirchen bleibt es still. Die Pandemie hat ihren Tribut auch beim Singen gefordert. Der Blick auf ein gefährdetes Kulturgut.

„Menschen sind kulturelle Wesen und als solche brauchen sie kulturelle Angebote wie die Luft zum Atmen.“ Für den Musikpsychologen Prof. Dr. Gunter Kreutz hat die Alltagskultur einen hohen Wert. Gerade das Singen empfindet er als etwas, das zum Menschsein dazu gehört. Das alljährliche Geburtstagslied, das Krippenspiel an Weihnachten, das Anfeuern der Lieblingsmannschaft im Fußballstadion – vielen Menschen fällt es schwer, sich diese Situationen ganz still, ohne Gesang und Musik vorzustellen. In der Corona-Pandemie wurde dies jedoch zur Realität.

Kreutz befürchtet, dass das gemeinsame Singen auch nachhaltig in Misskredit geraten ist: „Es führt zur Verbreitung von Aerosolen, die mit den gefährlichen Viren beladen sind, und ist deshalb aktuell sehr negativ belastet.“ Dabei würden Millionen Menschen unter normalen Umständen einen Teil ihrer Lebensqualität an regelmäßiges gemeinsames Singen in Chören knüpfen. „Ist dies nicht mehr möglich, fehlt ein großes Stück Wohlbefinden. Nicht oder nur sehr eingeschränkt singen zu können destabilisiert Körper und Geist“, ist der Musikwissenschaftler überzeugt. Viele Chöre hätten aufgrund der Pandemie aufgegeben; Jugendarbeit in diesem Bereich habe in den vergangenen Jahren kaum bis gar nicht stattgefunden. Das alles hinterlasse Spuren, die das Kulturleben insgesamt veränderten. Darauf deutet auch eine Studie der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt aus dem vergangenen Jahr hin, bei der mehr als 4.000 Chöre im deutschsprachigen Raum befragt wurden. Die meisten Gruppen verzeichneten demnach zahlreiche Austritten, denn weniger als ein Drittel behielt die ursprüngliche Anzahl an Sängerinnen und Sängern. Fast jeder achte Kinder- und Jugendchor musste zudem eingestellt werden. Für Kreutz ist es eine Generationenaufgabe, diese Schäden zu begrenzen. Ein erster Schritt müsse sein, mit der Stigmatisierung aufzuhören: „Singen ist nicht grundsätzlich eine Gefahr für die Gesellschaft, sondern ein wichtiges Kulturgut!“

Kulturtechnik im Abseits

Die Pandemie hat einen Trend verfestigt, der schon seit vielen Jahren zu beobachten ist, sagt Kreutz. „Es gibt sehr viele Kinder und Jugendliche, die heute gar keinen Bezug mehr zum Singen haben.“ Eine Ursache sei in Kindergärten zu finden: Hier werde generell zu wenig gesungen – auch weil Erzieherinnen und Erzieher oftmals nicht für musikalische Früherziehung ausgebildet seien. Genauso fehlten quer durch die Republik Fachlehrkräfte für Musik an den Grundschulen. „Nach und nach wachsen Generationen heran, für die das Singen nur noch eine Randerscheinung ist – etwas, dass nur wenigen talentierten Menschen Freude bereitet“, befürchtet Kreutz.

Dabei sei der Wert des Gesangs fürs Individuum und die Gesellschaft enorm. „Singen hält geistig und körperlich fit und bringt die Menschen zusammen.“ Das größte Potenzial sieht Kreutz für die Jüngsten. Kinder profitierten bereits sehr früh von musikalischen Erfahrungen. Das Singen gehe dem Sprechen voraus und spiele somit auch für die Sprachentwicklung eine große Rolle. Das beginne bereits beim Einschlaflied für Babys – für Kreutz ein unverzichtbares Mittel und Ausdruck elterlicher Fürsorge. „Die Freude am Singen geht häufig auf Früherfahrungen aus der Kindheit zurück. Wenn der Eintritt in die Welt des Gesangs nicht im Kindesalter gelingt, bleibt sie einem auch im späteren Leben meist verschlossen“, erklärt Kreutz.

Kreutz freut sich auf die Zeit, wenn dieser kulturelle Teil des Menschseins wieder stärker gelebt werden kann. Denn das Singen könne den Menschen auch helfen, sich vom Trauma der Pandemie zu erholen. „Es scheint, dass wir durch das Singen widerstandsfähiger werden. Singen kann unsere Reserven an positiver Gestimmtheit auffüllen,“ ist sich Kreutz sicher. Daher hofft er, dass auch das gemeinsame Singen bald wieder in vollem Umfang als Ressource für Gesundheit und Lebensfreude dienen darf.

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