Was die menschliche Haut vor UV-Strahlen schützt, könnte für Lebewesen im Wasser negative Folgen haben. Ein Projekt unter der Leitung des Meeresbiologen Prof. Dr. Peter Schupp am Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) der Universität Oldenburg untersucht seit 2020 die Auswirkungen von Sonnencreme-Inhaltsstoffen auf Korallenriffe.
Nun geht das Vorhaben – eine von BASF mit rund einer Million Euro geförderte wissenschaftliche Zusammenarbeit – in die zweite Runde. Um das Gefährdungspotenzial der in Sonnencreme enthaltenen UV-Filter besser abschätzen zu können, sind standardisierte Tests erforderlich. Das Team um Schupp entwickelt solche Tests nun für den marinen Bereich, analog zu bereits existierenden Tests mit Süßwasser-Organismen. In der ersten Projektphase arbeiteten die Forschenden zunächst an Testsystemen mit Larven und Korallenfragmenten, deren erste Ergebnisse auf der weltweit bedeutendsten Korallen-Konferenz, dem International Coral Reef Symposium (ICRS), sowie der Internationalen Tagung der Society of Environmental Toxicology and Chemistry (SETAC), vorgestellt wurden. Jetzt will das Team diese und weitere Testverfahren standardisieren und in Ringversuchen mit anderen Arbeitsgruppen und Laboren aus aller Welt prüfen, ob das Verfahren unter gleichen Voraussetzungen vergleichbare Ergebnisse erzielt. „Uns geht es um die Entwicklung einer internationalen Versuchsnorm, damit die Ergebnisse anschließend auch international Anerkennung finden“, erklärt Schupp.
Die Tests sollen dazu beitragen, diejenigen UV-Filter zu identifizieren, die einen negativen Effekt auf Korallenlarven und ausgewachsene Korallen haben und daher unter Umständen nicht mehr sicher verwendet werden können. Überprüft werden vorerst weitverbreitete UV-Filter wie etwa Oxybenzon oder Octinoxat, die bereits stark im Fokus der Öffentlichkeit stehen, aber auch weitere Substanzgruppen. Die Untersuchungen wurden an verschiedenen Korallenarten durchgeführt, um mögliche Unterschiede in der Kultur und Empfindlichkeit gegenüber Zielsubstanzen festzustellen. Zu den untersuchten Arten gehören Acropora-Korallen, die zur wichtigsten Gattung der Steinkorallen und weltweit zu den häufigsten Arten in den Riffen zählen. Darüber hinaus wurden andere weit verbreitete Gattungen wie zum Beispiel Leptastrea, Tubastraea und Montipora untersucht. Neben direkten Effekten wie dem Absterben der Tiere wurden auch indirekte Effekte, wie die Umwandlung der Larve zum Polypen oder die Korallenbleiche in Kurzzeittests von 48 beziehungsweise 96 Stunden Dauer erforscht.
Die Experimente zeigten Unterschiede in der Empfindlichkeit zwischen den untersuchten Arten und den verschiedenen Altersstadien. Generell waren die Larvenstadien empfindlicher als die ausgewachsenen Korallen. „Unsere Ergebnisse machen deutlich, dass sowohl der entwickelte Larventest als auch die Methode mit den erwachsenen Korallen und den ausgewählten Endpunkten für eine weitergehende Standardisierung geeignet sind“, erklärte Schupp. Darüber hinaus arbeite das Team an der Entwicklung weiterer Langzeittestmethoden an Korallen, um auch mögliche Effekte an den Organismen untersuchen zu können, die aus einer Dauerbelastung mit Substanzen resultieren könnten.
Ziel des Projekts ist es, neben dem standardisierten Test auch zur Einführung eines einheitlichen Labels für umweltfreundliche Sonnencremes beizutragen. „Einige Hersteller werben zwar bereits mit ‚riffsicherer‘ oder ‚korallenfreundlicher‘ Sonnencreme, allerdings haben diese Label nur wenig Aussagekraft darüber, wie die Inhaltsstoffe tatsächlich auf Korallenriffe wirken“, betont Schupp. „Auf der anderen Seite sehen wir, dass einzelne UV-Filter in manchen Ländern aufgrund defizitärer Studien bewertet und bereits verboten wurden.“ Standardisierte Testverfahren könnten hier für mehr Klarheit sorgen und sich außerdem nutzen lassen, um andere Substanzen, die etwa in Kosmetikprodukten oder auch Pflanzenschutzmitteln vorkommen, hinsichtlich potenziell schädlicher Folgen für Korallenriffe zu bewerten und so zu deren Schutz beizutragen.