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Prof. Dr. Gunter Kreutz
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  • Menschen merken nicht nur, dass Musik einen fröhlichen oder traurigen Ausdruck hat – auch der Körper reagiert auf sie. Das konnten Musikpsychologe Gunter Kreutz und sein Team in einer Studie feststellen. Foto: pixabay/kaboompics

  • Prof. Dr. Gunter Kreutz hat seit zehn Jahren die Professur für Systemische Musikwissenschaft inne. Sein Forschungsinteresse gilt unter anderem der Frage, wie Musikhören, Singen, Tanzen und Musizieren auf Körper, Geist und Seele wirken. Foto: Universität Oldenburg

„Musik geht buchstäblich unter die Haut“

Herzklopfen und Gänsehaut: Wer Musik hört, reagiert oft körperlich darauf. Der Musikpsychologe Prof. Dr. Gunter Kreutz spricht im Interview über die Wirkung von fröhlicher und trauriger Musik und den Irrglauben, dass laute Musik beim Sport besonders gut motiviert.

Herzklopfen und Gänsehaut: Wer Musik hört, reagiert oft körperlich darauf. Der Musikpsychologe Prof. Dr. Gunter Kreutz spricht im Interview über die Wirkung von fröhlicher und trauriger Musik und den Irrglauben, dass laute Musik beim Sport besonders gut motiviert.

FRAGE: Herr Kreutz, macht fröhliche Musik fröhlich und traurige Musik traurig? 

KREUTZ: So einfach ist es nicht. Musik ruft körperliche Reaktionen hervor, aber meist relativ unspezifisch. Wenn ich Musik höre, und mein Herz fängt an zu klopfen, dann kann das fröhliche, traurige, wütende oder aggressive Musik sein. Bis vor 15 oder 20 Jahren hat man vermutet, dass es schwierig ist, spezifische Muster von körperlichen Reaktionen mit Musik eines bestimmten emotionalen Inhalts zu verknüpfen.

FRAGE: Und was weiß man heute darüber?

KREUTZ: Mit der Zeit hat sich herausgestellt, dass man da doch etwas festmachen kann. Zum Beispiel reagieren die Gesichtsmuskeln in Richtung der Affekte, die die Musik darbietet. Das ist uns allerdings gar nicht bewusst.

FRAGE: Was haben Sie in Ihrer aktuellen Studie herausgefunden?

KREUTZ: Meine Doktorandin Antje Bullack hat versucht, eine zehn Jahre alte Studie zu replizieren, in der solche unterschiedlichen Reaktionsmuster gefunden worden waren. Einige davon konnten wir bestätigen. Menschen merken also nicht nur, dass die Musik einen fröhlichen oder traurigen Ausdruck hat. Sondern das geht buchstäblich unter die Haut. Der Körper reagiert darauf.

FRAGE: Wie genau?

KREUTZ: Bei fröhlicher Musik ist im Gesicht zum Beispiel der Lachmuskel aktiv, bei trauriger Musik eher der Stirnrunzler. Es gab auch Unterschiede bei der Atemfrequenz.

FRAGE: Kann man Musik bewusst nutzen, um sich in eine bestimmte Stimmung zu bringen? Könnte man zum Beispiel fröhliche Musik hören, wenn man sich schlecht fühlt, um aus einem Tief herauszukommen?

KREUTZ: Viele Menschen nutzen Musik, um ihre Stimmung zu regulieren. Das nennt man Mood Management. Es gibt Menschen, die handeln nach dem so genannten Iso-Prinzip: Wenn sie in einer schlechten Stimmung sind, dann können sie keine fröhliche Musik vertragen, sondern möchten etwas, das der Stimmung entspricht. Es gibt aber auch Menschen, die sagen: Jetzt brauche ich ein Kontrastprogramm.

FRAGE: Hat Musik denn immer eine starke körperliche Wirkung?

KREUTZ: Nein, man muss auch sehen: Häufig geht der Ausdruck der Musik gar nicht in eine bestimmte Richtung. Vieles spielt sich mehr oder weniger im neutralen Bereich ab.

FRAGE: Woran liegt das?

KREUTZ: Ich glaube, wenn wir körperlich sehr stark auf Musik reagieren würden, dann würden wir ständig Achterbahn fahren. Musik hat natürlich noch viele andere Funktionen für uns. Sie hat einen Unterhaltungswert, gibt uns geistige Anregungen und kann auch helfen, Phasen der Langeweile zu überbrücken.

FRAGE: Welche Wirkung hat laute Musik?

KREUTZ: Wenn man Musik lauter stellt, dann wird sie mit der Zeit unangenehmer, obwohl man sie vielleicht immer noch schön findet. Viele Menschen meinen dennoch, sich etwas Gutes zu tun, wenn sie Musik sehr laut hören.

FRAGE: Gerade beim Sport ist die Beschallung oft groß, etwa im Fitnessstudio. Hat das Vorteile?

KREUTZ: In vielen Fitnessstudios oder Sportgruppen wird Musik gerne so laut gestellt, dass es langfristig gesundheitsschädlich wäre. Die Trainer brüllen dann gegen die Musik an. Wir haben nun in einer Studie herausgefunden, dass es für die sportliche Leistung keinen Unterschied macht, ob die Musik Zimmerlautstärke hat oder extrem laut gestellt wird. Es ist nicht einzusehen, warum man Musik so laut machen muss, dass sie eventuell langfristig das Gehör schädigt. Es stellt sich nun die Frage: Warum glauben die Menschen fest daran, dass laute Musik gut ist?

FRAGE: Motiviert sie denn nicht wenigstens?

KREUTZ: Die Sportler fühlen sich motiviert. Aber weder wird die gefühlte Anstrengung weniger, noch wird die physische Leistung besser, wenn die Musik lauter ist. Das heißt, es spielt sich im Kopf etwas ab, was einem sagt: Laut ist gut, deswegen bin ich motivierter. Aber wenn man dieselbe Musik leise anbietet, dann kann man keinen Unterschied messen. Es gibt aber durchaus Sportarten, wo es tatsächlich unterstützend oder motivierend sein kann, Musik zu hören.

FRAGE: Nämlich?

KREUTZ: Zum Beispiel beim Laufen: Wenn die Musik zum Rhythmus des Laufens passt, hat man einen gewissen Vorteil bei der Aktivierung. Der ist aber völlig unabhängig von der Lautstärke.

FRAGE: Hat das gemeinsame Singen der Nationalhymne eine positive Wirkung?

KREUTZ: Das haben britische und australische Forscher kürzlich untersucht. Sie haben bei der Fußball-EM 2016 ermittelt, wie leidenschaftlich die Sportler der verschiedenen Nationen ihre Hymne gesungen haben – und ob es einen Zusammenhang mit dem sportlichen Abschneiden gab. Das Ergebnis war, dass Mannschaften, die ihre Nationalhymne inbrünstiger singen, in der K.o.-Phase erfolgreicher waren.

FRAGE: Kein Wunder, dass das deutsche Team bei der aktuellen WM ausgeschieden ist!

KREUTZ: Wer weiß! Der Studie zufolge spielte das Singen in der Gruppenphase keine Rolle. Bei den anderen Mannschaften habe ich auch nicht so viele kräftige Mitsänger gesehen. Außerdem geht es nur um Wahrscheinlichkeiten. Leidenschaftliches Singen ist keine Garantie für einen Sieg.

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Bullack, A., Büdenbender, N., Roden, I., & Kreutz, G. (2018). Psychophysiological Responses to “Happy” and “Sad” Music: A Replication Study. Music Perception: An Interdisciplinary Journal, 35(4), 502-517. DOI: 10.1525/mp.2018.35.4.502

Kreutz, G., Schorer, J., Sojke, D., Neugebauer, J., & Bullack, A. (2018). In dubio pro silentio – Even loud music does not facilitate strenuous ergometer exercise. Frontiers in Psychology, 9, 590. doi.org/10.3389/fpsyg.2018.00590

 

 

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