• Foraminiferen sind winzige einzellige Lebewesen, die in allen Regionen der Weltmeere verbreitet sind - von der Tiefsee bis zum Wattenmeer. Manche Foraminiferen gehören zum Plankton, das heißt, sie schweben im Wasser. Dort ernähren sie sich unter anderem von winzigen Algen. Sterben die Foraminiferen ab, sinken ihre Schalen zum Meeresboden - wie diese Schalen, die aus der Karibik stammen. Die einzelnen Gehäuse sind kleiner als ein Millimeter und sind daher nur gut mithilfe eines Mikroskops zu identifizieren. Foto: Wilfried Rönnfeld

Artenvielfalt im Meer im Wandel

Jahrtausende alte Sedimentkerne aus dem Atlantik zeigen, wie sich die Biodiversität im Meer mit dem Klimawandel entwickeln könnte. Ein Team aus Bremen und Oldenburg forscht gemeinsam, auch um Maßnahmen zum Meeresschutz besser beurteilen zu können.

Jahrtausende alte Sedimentkerne aus dem Atlantik zeigen, wie sich die Biodiversität im Meer mit dem Klimawandel entwickeln könnte. Ein Team aus Bremen und Oldenburg forscht gemeinsam – auch um besser beurteilen zu können, wie sich die biologische Vielfalt schützen lässt.

Der Klimawandel wird die Meeresumwelt verändern. So viel ist sicher. Manche Meeresgebiete werden sich schneller erwärmen als andere, Meeresströmungen werden sich verändern. Bereits seit mehreren Jahren beobachten Forschende, dass Algen und Tiere aus den südlicheren Breiten des Atlantiks in die Nordsee vorstoßen, weil auch diese immer wärmer wird. Wie stark der Klimawandel die Biologie der Ozeane umkrempeln wird, lässt sich heute aber kaum abschätzen. Niemand kann in die Zukunft blicken und voraussagen, wie die Artengemeinschaften in 100 oder gar 500 Jahren aussehen werden.

Um dennoch eine Idee davon zu bekommen, wie sich der menschengemachte Klimawandel in der Zukunft auswirken könnte, schauen Forschende der Geo- und Biowissenschaften aus Bremen und Oldenburg in die Vergangenheit – in jene Epoche nach der letzten Eiszeit, in der sich das Klima schon einmal sehr schnell veränderte: Vor etwa 18.000 Jahren begann die weltweite Durchschnittstemperatur rapide zu steigen. Innerhalb von 7.000 Jahren wurde es im Schnitt um fünf Grad wärmer – ein gewaltiger Sprung.

„Wir haben untersucht, wie sich Artengemeinschaften von Planktonorganismen im Atlantik damals veränderten – um daraus für die Zukunft zu lernen“, sagt Tonke Strack vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen. Strack forscht in den Geowissenschaften und ist auf die Analyse von Sedimentkernen aus dem Meeresboden spezialisiert. In solchen Kernen finden sich die Ablagerungen von Lebewesen, die nach ihrem Tod zum Meeresboden herabgesunken sind – etwa die Schalen von Plankton, oft nur wenige tausendstel bis ein Millimeter große Organismen.

Diese enthalten Informationen darüber, zu welcher Zeit und in welchen Mengen bestimmte Planktonarten in den verschiedenen Meeresgebieten zu finden waren. Drei Gruppen der winzigen Meereslebewesen hat Strack unter die Lupe genommen – Coccolithophoriden, Dinoflagellaten und planktische Foraminiferen; allesamt Einzeller, die harte Schalen bilden, welche sich im Sediment anreichern.

Die Ergebnisse zeigen, dass sich mit der steigenden Temperatur vor 18.000 bis 9.000 Jahren die Artenzusammensetzung des Planktons deutlich veränderte. Vor allem ist ein deutlicher nordwärts-Trend zu erkennen. Mit den steigenden Wassertemperaturen wanderten viele südlichere Arten in die gemäßigten Breiten ein. Aus den gemäßigten Breiten wiederum breiteten sich einige Arten weiter nach Norden aus. Insgesamt nahm die Zahl der Arten besonders in den mittleren Breiten zu.

Vor allem ein Detail lässt aufhorchen: Obwohl die Temperatur weltweit im Schnitt seit etwa 9.000 Jahren fast nicht mehr zunahm, veränderten sich die Artengemeinschaften weiterhin. Die damalige Klimaerwärmung hallte gewissermaßen für rund weitere 4.000 Jahre nach. Erst danach pendelte sich das Artenspektrum langsam ein und veränderte sich kaum noch. „Diesen Effekt sehen wir vor allem bei den Dinoflagellaten und Foraminiferen“, sagt Strack.

Um die ökologische Dimension dieser Arbeit abzudecken, hat Strack im Rahmen des Exzellenzclusters „Der Ozeanboden – unerforschte Schnittstelle der Erde“ eng mit den Forschenden des Instituts für Chemie und Biologie des Meeres der Universität Oldenburg zusammengearbeitet. „Die Kooperation war absolut fruchtbar“, sagt die Oldenburger Evolutionsbiologin Dr. Marina Costa Rillo.

„Wir wollen ja verstehen, wie stark sich die Meeresumwelt und die Artenvielfalt mit dem Klimawandel verändert. Und wir müssen irgendwie abschätzen, wie stark diese Änderung ist. Doch stehen uns kaum Langzeitdaten zur Verfügung.“ Einfach deshalb, weil Forschende bis vor wenigen Jahrzehnten die Zahl von Meeresorganismen in verschiedenen Regionen kaum systematisch erfasst haben. Insofern fehlt es an einer Art Grundlinie, anhand derer Forschende die aktuellen Veränderungen in den Meeren bewerten und einschätzen können.

„Die Daten von Tonke liefern uns ein Bild, wie sich Artengemeinschaften über längere Zeiträume mit dem Klimawandel verändern können. Auch zeigen sie, dass diese Veränderungen offensichtlich anders ablaufen können, als gedacht“ erläutert Rillo. So hätte man erwartet, dass sich die Artengemeinschaften der Dinoflagellaten und Foraminiferen nicht mehr verändern, wenn die starke Klimaerwärmung wie vor 9000 Jahren stoppt.

Für Organismen, die sich an warme Bedingungen angepasst haben, wird es jetzt noch wärmer – und dies deutlich schneller als nach der Eiszeit.

Für Strack wiederum war die Zusammenarbeit mit Rillo ein Gewinn, weil sie die geologischen Informationen aus den Sedimentkernen aus der ökologischen Perspektive betrachtet. „Artenvielfalt im Meer kann man ganz unterschiedlich messen. Man kann schauen, ob die Individuen einer Art zunehmen oder einfach die Zahl der Arten messen“, sagt Rillo. „Man muss also eine recht genaue Vorstellung davon haben, was man eigentlich messen will.“

Um den Einfluss des Klimawandels und die ökologischen Veränderungen zu messen, hat das Team aus Bremen und Oldenburg sich dafür entschieden, die Häufigkeitsverteilung der Arten zu messen – quasi den prozentualen Anteil der einzelnen Arten in den verschiedenen Gebieten des Atlantiks.

Wie sich die Lebensgemeinschaften in den Ozeanen in Zukunft entwickeln werden, können Tonke Strack und Marina Costa Rillo auf Grundlage ihrer Arbeit natürlich nicht vorhersagen. Deutlich wird aber, dass die Effekte des Klimawandels komplexer sein können, als erwartet. „Zudem kommt zu der Erwärmung der letzten 24.000 Jahre jetzt durch den menschengemachten Klimawandel eine weitere Erwärmung hinzu“, sagt Strack.

„Für Organismen, die sich an warme Bedingungen angepasst haben, wird es jetzt noch wärmer – und dies deutlich schneller als nach der Eiszeit.“ Der Temperaturanstieg zog sich damals über 7.000 Jahre hin. Jetzt könnten es, wenn es schlecht läuft, in wenigen hundert Jahren noch einmal vier bis fünf Grad mehr werden.

Auch künftig wollen Strack und Rillo ihre Zusammenarbeit fortsetzen, ihre Projektergebnisse fließen mit in den Antrag für den gemeinsamen Exzellenzcluster der Universitäten Oldenburg und Bremen ein. Den Forschenden geht es auch darum, wie sich die biologische Vielfalt in den Meeren besser schützen lässt. Dafür sei die interdisziplinäre Kooperation zwischen den beiden Hochschulen besonders wichtig, sagt Strack. „Gemeinsam wollen wir unter anderem herausfinden, wie wir die Informationen aus der Vergangenheit nutzen können, um aktuelle Naturschutzpolitik zu unterstützen und somit die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels besser zu bewältigen.“

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