Der Oldenburger Physikstudent Kumar Ashish engagiert sich für die Belange der rund 370.000 internationalen Studierenden in Deutschland. Er hat zwei hochkarätige Ehrenämter inne − und durch seinen Einsatz schon einiges bewegt.
Kumar Ashish kommt viel herum in Deutschland – das belegen zahlreiche Fotos auf seinem Handy: Selfies des Oldenburger Physikstudenten mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, Bilder, die ihn auf Konferenzen zeigen, etwa bei einem Vortrag an der TU München, in Potsdam oder Jena. Ashish ist unermüdlich im Einsatz, um auf Probleme aufmerksam zu machen, die ausländischen Studierenden in Deutschland das Leben schwer machen – etwa bei der Studienfinanzierung oder wenn es um Visaverlängerungen, Sprachzertifikate und Forderungen von Ausländerbehörden geht.
Sein Einfluss ist nicht zu unterschätzen: Seit Anfang 2019 ist Ashish, der aus Nepal stammt und in Oldenburg Engineering Physics studiert, Vorsitzender des Bundesverbands ausländischer Studierender. Seit Ende 2020 ist er außerdem als studentischer Vertreter im Vorstand des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) aktiv, auf beiden Posten wurde er kürzlich bestätigt. Für diese Ehrenämter wendet er einiges an Zeit auf, zusätzlich berät er in Oldenburg informell internationale Mitstudierende. „Meine Motivation ist es, Probleme zu lösen und den Studierenden zu helfen“, sagt er.
Steiniger Weg zum Studium in Deutschland
„Kumar Ashish ist unheimlich gut vernetzt und total umtriebig“, sagt Katja Kaboth-Larsen vom International Office, die den Studenten sowohl als Tutor in Oldenburg als auch auf Konferenzen, etwa als Teilnehmer von Podiumsdiskussionen, erlebt hat. Dass ein Vertreter der Uni Oldenburg in nationalen Foren so präsent sei, habe durchaus „eine gewisse Strahlkraft“, findet sie. Ashish habe viele gute Ideen und könne gut kommunizieren – aber auch gut zuhören.
Bis der junge Mann 2016 sein Studium in Deutschland aufnehmen konnte, musste er selbst einige Hürden überwinden. Einmal, so erzählt er, wurden wichtige Unterlagen gestohlen, dann scheiterte er mehrfach an entscheidenden Sprachprüfungen, schließlich verhinderte 2015 das schwere Erdbeben in Nepal die rechtzeitige Zustellung von Zulassungsbescheiden. Und wäre er nicht am Ende auf eine verständnisvolle Botschaftsmitarbeiterin getroffen, die ihm in Rekordzeit ein Visum verschaffte – vielleicht hätte er seinen Traum von einem Physikstudium in Deutschland ganz begraben müssen.
Inzwischen benutzt Ashish völlig selbstverständlich Wörter wie „Überbrückungshilfe“, „Ausländerbehörde“ oder „Vorstandssitzung“ – schließlich engagiert er sich schon seit 2018 in der Hochschulpolitik. Den ersten Anstoß gab eine WhatsApp-Gruppe seines Studiengangs: „Wir waren 80 Studierende aus unterschiedlichen Ländern, und in der Gruppe wurden alle möglichen Alltagsprobleme diskutiert: Wie finde ich ein Zimmer? Wo kann ich günstig Winterschuhe kaufen? Was mache ich, wenn ich eine Mahnung bekomme?“, erinnert er sich. Als ihm klar wurde, dass viele dieser Fragen auch andere internationale Studierende betreffen, trat er bei den Wahlen zum Studierendenparlament an. Das Mandat nutzte er, um in den Räumen des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) regelmäßig Beratungen anzubieten und den internationalen Studierenden mit ihren Sorgen und Nöten ein offenes Ohr zu geben.
Nicht alles, stellte er schnell fest, lässt sich an der Universität lösen. Manche Hürden bestehen auf der Ebene der Kommunen, andere auf Landesebene, wieder andere bundesweit. So kam es, dass Ashish sich zum Vorsitzenden des BAS wählen ließ und ein gutes Jahr später auch in den DAAD-Vorstand. „Auf diese Weise verstehe ich noch besser, wie die Dinge funktionieren“, betont er. Der BAS könne politisch aktiv werden, der DAAD habe als Organ der Regierung in anderen Bereichen Einfluss und verfüge über viele Fördermöglichkeiten.
Vor allem während der vier Pandemie-Semester gab es viel zu tun: Viele internationale Studierende verloren ihre Jobs und konnten ihr Studium nicht mehr finanzieren, zudem drohte der Verlust der Aufenthaltsgenehmigung, wenn Prüfungen nicht bestanden oder Studienleistungen nicht erbracht wurden. Als Vorsitzender des BAS setzte sich Ashish für finanzielle Zuschüsse und Lockerungen bei der Regelstudienzeit ein. Eine weitere Veränderung, die er sich mit auf die Fahne schreibt, ist das kürzlich verabschiedete Gesetz dazu, dass ausländische Studierende 140 Tage pro Jahr arbeiten dürfen statt bisher 120 – und damit etwas leichter ihr Studium finanzieren können.
„Deutschland braucht das Talent der ausländischen Studierenden“
Kumar Ashish
Mittlerweile betrachtet er es als Schicksal, dass er in Deutschland gelandet ist und nicht in den USA, seinem ursprünglichen Wunschziel fürs Studium. „Es ist meine Aufgabe, hier etwas zu bewirken“, ist er überzeugt. Er sei stolz, Teil der Uni Oldenburg zu sein und fühle sich in Deutschland zu Hause. Aktuell absolviert er sein Praxismodul im Bereich Werkstoffwissenschaften an der Hochschule Emden/Leer und plant, bis Ende des Jahres die Bachelorarbeit fertigzustellen. Anschließend will er seinen Master in Oldenburg machen.
Auf politischer Ebene sieht der engagierte Student für sich weiterhin viele Aufgaben: Dass internationale Studierende in einigen Bundesländern jedes Jahr zu einem bestimmten Stichtag 11.208 Euro auf einem Sperrkonto vorweisen müssen, erzeuge zu großen psychischen Druck, findet er. Ebenso, dass Visa nur für wenige Monate und nicht gleich für die gesamte Studiendauer erteilt werden. Und warum sind Deutschkurse häufig so teuer? „Bei vielen Studierenden aus dem Ausland geht die Motivation, nach dem Bachelorstudium in Deutschland zu bleiben, aufgrund der Unsicherheit und der vielen bürokratischen Hürden im Laufe der Zeit verloren, und sie machen ihren Master dann in einem anderen Land“, sagt Ashish. Dabei brauche Deutschland die Kreativität und die Talente der ausländischen Studierenden. Er wünscht sich eine Willkommenskultur, die genau das anerkennt – mit weniger Druck und mehr Flexibilität.