Stadtwälder leiden besonders unter den Folgen der Klimaerwärmung. Wie es gelingen kann, solche Grünflächen resilienter gegen Hitze und Trockenheit zu machen, untersuchen Forschende und Studierende der Universität am Beispiel des Eversten Holz im Projekt „Klimaoasen Oldenburg“.
Noch im Dezember gibt die „Pferdetränke“ ein trauriges Bild ab. Mehrere flache Pfützen sind alles, was von dem historischen Gewässer am südöstlichen Rand des Eversten Holz übriggeblieben ist. Auch die zahlreichen Gräben, die den Stadtwald durchziehen, führen zu Beginn des Winters kein Wasser.
„Der Klimawandel ist im Eversten Holz deutlich zu spüren“, sagt Prof. Dr. Dirk Albach vom Institut für Biologie und Umweltwissenschaften (IBU). Neben Trockenheit und höheren Temperaturen setzten auch Grundwasserabsenkungen und Sturmschäden den Pflanzen zu, berichtet der Botaniker. Das gut 22 Hektar große, nur einen Kilometer von der Oldenburger Innenstadt entfernte Waldstück ist damit typisch für viele urbane Grünanlagen: Diese Flächen leiden häufig besonders stark unter den Folgen der globalen Erwärmung – unter anderem, weil Städte generell heißer sind als das Umland, aber auch, weil sie durch Verkehr, Luftverschmutzung oder Baumaßnahmen stärker belastet sind als ländlichere Wälder.
Albach leitet ein Projekt der Universität, das die Umweltveränderungen im Eversten Holz genauer unter die Lupe nimmt. Aus ihren Beobachtungen wollen die Forschenden Schlüsse ziehen, wie sich das Waldstück an die neuen Bedingungen anpassen lässt. Die Forschung ist Teil des Vorhabens „Klimaoasen Oldenburg“ der Stadt Oldenburg, das vom Landesmuseum „Natur und Mensch“ geleitet und vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauen in der Förderlinie „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ finanziert wird. Ziel des Anfang 2022 gestarteten Projekts ist es, das Eversten Holz und den Oldenburger Schlossgarten fit für den Klimawandel zu machen. Ein Großteil der Fördermittel von insgesamt fünf Millionen Euro steht dabei für die konkrete Umgestaltung der beiden Grünanlagen und den Dialog mit der Bevölkerung zur Verfügung.
Studierende untersuchten, Boden, Wasser, Flora und Fauna
Die Universität übernimmt während der dreijährigen Projektdauer die Begleitforschung, die nur im Eversten Holz stattfindet. Die Ergebnisse der verschiedenen Studien sollen zum Projektende bei einer wissenschaftlichen Tagung vorgestellt werden. Sie fließen außerdem in eine Wanderausstellung ein, die vom Landesmuseum erarbeitet wird. Dirk Albach freut sich darüber, dass Studierende im Projekt vor Ort Biodiversitätsforschung durchführen können, die von praktischem Nutzen ist. Der erste Schritt war eine umfassende Milieustudie, die Studierende des Studiengangs Umweltwissenschaften im vergangenen Sommersemester anfertigten. In Vierer- und Fünfergruppen widmeten sich die Teilnehmenden den Themen Boden, Wasser, Fauna, Flora und Nutzung des Eversten Holz. Sie kartierten Bodentypen, berechneten die gespeicherte Kohlenstoffmenge und ermittelten den Grundwasserstand. Sie erfassten den Bestand an Pflanzenarten, zählten Brutvögel und untersuchten, wie die Bevölkerung den Wald nutzt.
„Die Milieustudie bildet die Basis, um das Ökosystem Eversten Holz und seine Entwicklung besser zu verstehen“, erläutert Albach. Ein wichtiges Ergebnis: Das Waldstück ist ein Hotspot der Biodiversität im Stadtgebiet. Durch das Nebeneinander verschiedener Biotoptypen wie Rasenflächen, schattigen Waldstücken und Stillgewässern fühlen sich dort streng geschützte Arten wie der Bergmolch oder die Breitflügelfledermaus wohl. Die Pferdetränke, obschon durch Verunreinigungen und niedrigen Wasserstand in keinem guten ökologischen Zustand, erwies sich dennoch als besonders wertvolles Biotop: Am Ufer und im Röhricht leben spezialisierte Laufkäfer und Amphibien, Fledermäuse jagen über der offenen Wasserfläche, und im Schilf brüten Wasservögel.
Auch Veränderungen können aufgezeigt werden – dank einer Milieustudie, die eine andere Gruppe von Studierenden bereits 2010 angefertigt hatte. So weist der Wald inzwischen mehr lichte Stellen auf, wahrscheinlich, weil einige Bäume Trockenheit und Stürmen zum Opfer gefallen sind. Dadurch hat sich am Boden eine stärkere Krautschicht ausgebildet, die zuvor in den meisten Bereichen fehlte. Die Studierenden entdeckten mehr invasive Arten, unter anderem den besonders aggressiven Japanknöterich.
Der Grundwasserstand ist entscheidend
Eine Prognose für die Zukunft gab das Team ebenfalls ab: Damit heimische Bäume wie Eichen und Buchen auch in Zukunft heiße Sommer überstehen können, komme es vor allem auf die Entwicklung des Grundwasserstands an. Der Projektantrag der Stadt sieht vor, das Grabensystem umzugestalten. Aktuell führt es das Wasser aus dem ehemals feuchten Waldstück ab, doch in Zukunft sollen die Niederschläge möglichst im Eversten Holz bleiben. Zudem soll die Pferdetränke, die durch zu hohe Nährstoffeinträge verschlammt ist, ausgebaggert werden.
Diese Maßnahme bietet Anlass für eine weitere Studie des IBU: Mit modernen genetischen Methoden soll vor und nach der Entschlammung der Pferdetränke die Gemeinschaft einzelliger Lebewesen analysiert werden. Eine weitere Arbeit soll anhand von Fotos aus der Bevölkerung untersuchen, wie sich der Wasserstand des Gewässers in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat. Bereits in einer Abschlussarbeit entstanden ist ein „Waldforschungsheft“ für Schülerinnen und Schüler; außerdem starteten aktuell zwei studentische Hilfskräfte ein Baumkataster aller rund 6.000 Bäume im Eversten Holz.
„Wir können nun herausfinden, wieso bestimmte Pflanzen an einer Stelle wachsen und an einer anderen nicht, welche Arten bedroht sind und wie sich ihr Wachstum durch den Klimawandel ändert“, erläutert Albach. Diese Erkenntnisse seien wichtig, um zu ermitteln, welche Arten im Projekt als Ersatz für darbende Gewächse wie Fichte oder Birke gepflanzt werden können. Davon profitierten letztlich auch andere Wälder im Stadtgebiet – und auch der Botanische Garten, dessen Direktor Albach ist. „Das Projekt ‚Klimaoasen‘ ist nur der Startpunkt“, betont der Forscher. „Auch danach müssen wir kontinuierlich weiterarbeiten, um langfristig das Überleben dieser städtischen Grünflächen zu sichern.“