Ein oder zwei Semester im Ausland zu verbringen – davon träumen viele Studierende. Was derzeit möglich ist und wie die Zeit nach Corona aussehen könnte, schildert die Leiterin des International Office, Jenka Schmidt, im Interview.
Frau Schmidt, wir sind nun schon im zweiten Jahr der Pandemie. Reisen ist nach wie vor erschwert, viele Universitäten haben auch das dritte Semester in Folge online gestartet. Gibt es dennoch Studierende, die sich derzeit auf den Weg ins Ausland machen?
Ja, das Interesse ist immer noch stark. Im gerade gestarteten Sommersemester sind immerhin 37 Austauschstudierende neu nach Oldenburg gekommen, weitere 5 studieren digital aus dem Heimatland. Knapp 40 haben Oldenburg für ein Semester verlassen. Etwa drei Viertel von ihnen sind innerhalb Europas unterwegs, ein Viertel außerhalb Europas. Es gibt nur wenige, die zu Hause bleiben und einen reinen Online-Austausch absolvieren. Und zum Wintersemester steigen die Bewerbungen für einen Auslandsaufenthalt wieder.
Was bedeutet die Situation für die Arbeit im International Office?
Zwar gehen derzeit weniger Studierende ins Ausland. Aber wir haben mehr Arbeit, die Aufenthalte für Einzelne vorzubereiten. Denn jede Mobilität ist im Moment sehr individuell: Wie sind die Einreisebestimmungen oder die Quarantäneregeln für ein bestimmtes Land oder sogar für eine Region? Wie ist die Lehre an der jeweiligen Uni organisiert, auch speziell für das gewählte Fach? Da ist viel Recherche und Kommunikation mit den Partnerunis nötig. Die Bestimmungen ändern sich ständig, auch hinsichtlich der Fördermöglichkeiten, da müssen wir up-to-date bleiben…
Wie unterstützt das International Office Studierende, die nach Oldenburg kommen?
Wir stellen zweisprachige Informationen auf unserer Webseite zur Verfügung, etwa über Quarantäneregeln und Testangebote. Das ist wichtig, gerade wenn man den Föderalismus nicht kennt (lacht). Wir haben viele Unterstützungsangebote vor Ort, unsere Tutoren helfen beispielsweise beim Einkaufen. Durch die Online-Lehre fühlen sich viele Studierende außerdem isoliert. Wir versuchen, die internationalen Studierenden trotzdem untereinander zu vernetzen, über die Sozialen Medien und StudIP und bieten etwa digitale Spieleabende oder Kochtutorials an.
Neben der Corona-Pandemie gibt es noch den Brexit. Das Vereinigte Königreich wird künftig nicht mehr mit dem Europäischen Austauschprogramm Erasmus+ assoziiert sein. Was bedeutet dies für Studierende, die beispielsweise in England ein Austauschjahr verbringen möchten?
Die laufenden Erasmus-Programme sind noch bis 2022 abgesichert. Und wir sind seit mindestens zwei Jahren mit unseren britischen Partneruniversitäten, dem DAAD, dem British Council und anderen in Kontakt. De facto bedeutet der Brexit, dass wir versuchen, mit einzelnen britischen Partneruniversitäten Verträge abzuschließen, um beispielsweise die Frage der Studiengebühren zu klären. Bisher mussten Erasmus-Studierende im Vereinigten Königreich keine Gebühren zahlen. Einige britische Partnerhochschulen haben aber erfreulicherweise schon signalisiert, dass sie die Kooperation aufrecht erhalten möchten.
Durch die Pandemie haben sich auch Vorteile ergeben. Manche Studierende konnten zum Beispiel trotz Auslandsaufenthalt einen Online-Kurs an ihrer Heimatuniversität belegen. Wird studentische Mobilität künftig anders aussehen als bisher?
Ja, bestimmt! Wie genau, vermag im Moment noch niemand zu sagen. Einige digitale Formate werden aus Gründen der Inklusion und Nachhaltigkeit aufrechterhalten bleiben. Es gibt tolle digitale Plattformen für den fachlichen Austausch, etwa für Konferenzen. Außerdem könnten virtuelle Workshops künftig auf Auslandsaufenthalte vorbereiten. Das DAAD-Projekt Lehramt International ist da ein sehr gutes Beispiel. In solchen Workshops könnten Studierende in Inhalte der Partnerunis reinschnuppern, ihre künftigen studentischen Tutor*innen, ihre Buddys kennenlernen und erste interkulturelle Erfahrungen sammeln. Virtuelle Veranstaltungen bieten sich auch für diejenigen an, für die eine physische Mobilität nicht infrage kommt. Die Studierendenschaft wird immer diverser – nicht alle haben die Möglichkeit, einfach ins Ausland zu gehen.
Wird dies die eigentliche Mobilität ersetzen?
Nein, bei vielen Studierenden sowie Wissenschaftler*innen ist der Wunsch nach physischer Mobilität ja vorhanden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass einige Ziele, die mit Internationalisierung verbunden sind, anders zu erreichen sind. Es gibt viele Erlebnisse, die nur vor Ort möglich sind. Beispielsweise das Eintauchen in eine Kultur oder die praktischen Erfahrungen, die ich brauche, wenn ich im Ausland arbeiten will.
Was können wir an der Uni Oldenburg denn aus der Pandemie für die Internationalisierung lernen?
Die Universität ist in den vergangenen Jahren viel internationaler geworden. Es gibt beispielsweise das Studienprogramm „European Studies in Global Perspectives“, das englischsprachige Module für Austauschstudierende bietet. Das Programm „Instep“ ist aus dem Orientierungsjahr für Geflüchtete hervorgegangen und soll internationale Studierende auf ihr Studium vorbereiten sowie während der ersten Fachsemester begleiten. Und die Lehrenden in den internationalen Masterstudiengänge sind mit Zweisprachigkeit und Internationalität vertraut. Wenn aber internationale Studierende nicht auf den Campus kommen oder nicht einreisen können, dann brauchen etwa die Lehrenden weitere Fähigkeiten, beispielsweise in der e-Didaktik. Das sind neue Herausforderungen, die künftig mitgedacht werden müssen. Auch um langfristig Studienabbrüche zu verhindern.
Es wird also eine Mischung zwischen physischer Mobilität und digitalen Formen geben…
Es bleibt ein Spannungsfeld. Die große Herausforderung ist ja: So etwas wie die Corona-Pandemie kann immer wieder passieren. Wir müssen also flexibel sein. Die Welt hat eine hohe Dynamik, darauf müssen wir uns einstellen. Unser Job als Universität ist es, verlässliche Angebote zu schaffen – ob digital oder vor Ort – um die Studierenden so gut wie möglich zu unterstützen.
Interview: Constanze Böttcher