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Prof. Dr. Dagmar Freist

Institut für Geschichte

  • Die hölzerne Maske, vermutlich eine Anfertigung der indigenen Gemeinschaft der Tlingit im südlichen Alaska, gelangte 1844 mit der Sammlung des russischen Kapitäns Ivan Antonovich Kuprejanov nach Oldenburg. Diese Sammlung war eine der frühesten aus der Circumpolarregion, die nach Europa gelangten, und befindet sich heute im Landesmuseum Natur und Mensch. Das Projekt DiViAS soll sie der internationalen Forschungsgemeinschaft virtuell zugänglich machen. Foto: Landesmuseum Natur und Mensch / Wolfgang Kehmeier

  • Die "Bewegung in Raum und Zeit" von historischen Gegenständen wollen die Forschenden anhand digitaler Schiffsrouten nachvollziehen und digital abbilden. Quelle dafür sind Logbücher aus dem Prize-Papers-Bestand im Londoner Nationalarchiv (TNA) - wie dieses hier, das sich an Bord des niederländischen Handelsschiffs Catherina Elizabeth befand, als dieses 1747 gekapert wurde (Referenz HCA 32/101/6). Foto: Prize Papers Project / Maria Cardamone, Mustapha Ousellam (Image reproduced by permission of The National Archives, London, England)

  • "Kurs Nord-Nordost": Um die Routen historischer Schiffe nachzuvollziehen, sollen die Logbücher mithilfe digitaler Technologien automatisch ausgelesen und transkribiert werden - unabhängig etwa von Handschrift oder Sprache (Referenz HCA 32/101/6). Foto: Prize Papers Project / Maria Cardamone, Mustapha Ousellam (Image reproduced by permission of The National Archives, London, England)

  • Auch das Modell eines einsitzigen Kajaks wurde von Kuprejanov zwischen 1835 und 1840 erworben, ehe es nach Oldenburg kam. Dem circa 76 Zentimeter langen Kajak liegt ein hölzerner Rahmen zugrunde, bezogen mit der Haut eines Meeressäugetiers. Stilistisch lässt sich das Artefakt den Alutiiq zuordnen, ansässig auf der Inselgruppe der Aleuten. Solche Bootsmodelle wurden im 19. Jahrhundert zu einem in Europa begehrten Sammelobjekt und daher auch gezielt für den Handel gefertigt - heute sind sie eine interessante Quelle für ethnologische Forschung. Foto: Landesmuseum Natur und Mensch / Wolfgang Kehmeier

Kulturelles Erbe digital bewahren und erforschen

Wie lässt sich das sogenannte kulturelle Erbe der Menschheit auch mithilfe digitaler Technologien bewahren, unvoreingenommen deuten und noch breiter zugänglich machen? Das ergründet ein neuer Forschungsverbund unter Oldenburger Leitung.

Wie lässt sich das sogenannte kulturelle Erbe der Menschheit – etwa historische Objekte und Dokumente in Museen und Archiven – auch mithilfe digitaler Technologien bewahren, unvoreingenommen deuten und noch breiter zugänglich machen? Diese Frage steht im Mittelpunkt eines neuen Forschungsverbunds.

Das Vorhaben „Digitalisierung, Visualisierung und Analyse von Sammlungsgut“ (DiViAS) wird im Programm „zukunft.niedersachsen“ von Land und VolkswagenStiftung in den kommenden drei Jahren mit zunächst 2,7 Millionen Euro gefördert. Es handelt sich um ein gemeinsames Projekt des Instituts für Geschichte der Universität und des dort koordinierten Akademienprojekts „Prize Papers“ mit dem Institut für Angewandte Photogrammetrie und Geoinformatik der Jade Hochschule Wilhelmshaven/Oldenburg/Elsfleth sowie dem Oldenburger Landesmuseum Natur und Mensch.

Die Leitung haben Prof. Dr. Dagmar Freist, Historikerin am Institut für Geschichte, sowie Prof. Dr. Thomas Luhmann, Jade Hochschule, und Dr. Ursula Warnke, Direktorin des Landesmuseums. Weitere Partner sind das Institut für Kartographie und Geoinformatik der Leibniz Universität Hannover sowie die Bibliotheksverbundzentrale VZG in Göttingen, hinzu kommen assoziierte Forschende aus dem In- und Ausland.

„Wir betreten auch international Neuland, indem wir bislang kaum verknüpfte wissenschaftliche Methoden und Praktiken beim Digitalisieren, Erforschen und Repräsentieren von Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten zusammenbringen wollen“, so DiViAS-Sprecherin Freist. Das Projekt verbinde systematisch die Expertise aus Museums-, Geschichts- und Kulturwissenschaften mit derjenigen aus Technik und Informatik – etwa in puncto Künstliche Intelligenz (KI), Datenanalyse, Geoinformatik und dreidimensionaler Messtechnik.

So wollen die Partner neue digital gestützte Verfahren zum Erfassen und Analysieren von Sammlungsgut entwickeln, innovativ miteinander verbinden und in Form eines digitalen „Werkzeugkastens“ künftig auch für andere kulturelle und wissenschaftliche Einrichtungen verfügbar machen. Der Verbund DiViAS sei „ein Meilenstein für das digitalisierte Kulturerbe“, betont der stellvertretende Sprecher Luhmann von der Jade Hochschule. „Das aufgebaute Knowhow wird langfristig nutzbar sein und wirken – in Niedersachsen und darüber hinaus.“

Den Ausgangspunkt des Projekts bilden die großen Sammlungen und archivalischen Überlieferungen des Landesmuseums einerseits und andererseits der „Prize Papers“ im Londoner Nationalarchiv, die im Mittelpunkt des gleichnamigen Langzeitprojekts unter Freists Leitung stehen. Beide Bestände entstanden im Kontext von europäischer Expansion und Kolonialismus; hier soll der Verbund DiViAS einen Beitrag zur Provenienzforschung leisten, also der kolonialen Herkunft von Sammlungsgütern auf den Grund gehen.

„Wegweisend ist nicht nur die fachübergreifende Kooperation, sondern auch die Zusammenarbeit mit Forschenden aus den Herkunftsgesellschaften – etwa Historikerinnen der Nelson Mandela University in Gqeberha, Südafrika, unserer langjährigen Partneruniversität“, ergänzt Sprecherin Freist. Weitere assoziierte Forschende sind tätig am Canadian Museum of History in Ottawa (Kanada), der Université de Dschang (Kamerun) sowie der Universität Lüneburg. Auch Medienwissenschaftler Prof. Dr. Sebastian Vehlken, der an der Universität Oldenburg und am Deutschen Schifffahrtsmuseum Bremerhaven forscht, ist beteiligt.

Den Kern des Projekts bilden zwei miteinander verschränkte Fallstudien. Eine davon soll die „Bewegung in Raum und Zeit“ von historischen Gegenständen nachvollziehen und digital abbilden, und zwar zunächst anhand von Schiffsrouten, die sich in London archivierten Logbüchern entnehmen lassen. Die andere Fallstudie befasst sich mit der „Materialität in Raum und Zeit“, also besonderen Eigenschaften, der Herkunft und Entwicklung des Zustands von historischen Objekten etwa aus dem Landesmuseum Natur und Mensch.

Dessen Direktorin Warnke, ebenfalls stellvertretende DiViAS-Sprecherin, wertet das Verbundprojekt als „die Gelegenheit“, die Sammlungen des Museums noch eingehender zu erforschen. „Die Studien sollen als Grundlage dienen, um das bisherige Wissen über und die bisherige Deutung von Sammlungsgütern zu analysieren und kritisch zu reflektieren“, so Warnke. Zugleich zielen die Studien darauf ab, Methoden und Technologien der Datenerfassung zu verfeinern.

Aus dem Forschungsverbund sollen – neben den Werkzeugen für eine zukunftsweisende Digitalisierung des kulturellen Erbes – unter anderem auch Konzepte für interaktive Ausstellungen sowie für Citizen Science Projekte hervorgehen, also Projekte, die Bürger*innen an der Forschung beteiligen.

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(Stand: 26.04.2024)  | 
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