Physiotherapie per Videokonferenz? In der Coronakrise sind gerade ältere Menschen darauf angewiesen. Wie gut sich dies umsetzen lässt, untersuchen Wissenschaftler des Departments für Versorgungsforschung in einer neuen Studie.
Physiotherapie in den eigenen vier Wänden ist ab sofort möglich – das haben die Kassenverbände auf Bundesebene und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen aktuell beschlossen. Physiotherapeuten können ihre Patienten somit auch per Videokonferenz betreuen. Wie gut dies in der Praxis umsetzbar ist, untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Departments für Versorgungsforschung unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Hein (Abteilung Assistenzsysteme und Medizintechnik) und Prof. Dr. Tania Zieschang (Abteilung Geriatrie) mit der Studie ConVideo.
Viele ältere Menschen befinden sich derzeit in einem Dilemma: Auf der einen Seite sind sie dazu aufgerufen, physische Kontakte zu vermeiden und ihre Wohnung so selten wie möglich zu verlassen. Auf der anderen Seite ist Bewegung für sie besonders wichtig, um agil zu bleiben, die Muskelkraft zu erhalten und das Immunsystem zu stärken. Aus Angst, sich anzustecken, verzichten einige sogar auf die ärztlich verordnete Physiotherapie.
Besonders an diese Personengruppe richtet sich die Physiotherapie per Videokonferenz. Um herauszufinden, ob sich die Erwartungen erfüllen, begleiten Hein und Zieschang mit ihren Teams Physiotherapeuten und ihre Patienten über einen Zeitraum von sechs Wochen. Die teilnehmenden Patienten werden in zwei etwa 45-minütigen Telefoninterviews zu ihrem Gesundheitszustand und ihren Erfahrungen mit der Therapie befragt; zusätzlich dokumentieren die beteiligten Physiotherapeuten, wie erfolgreich die videobasierte Therapie aus ihrer Sicht war.
Probanden bekommen Tablets gestellt
Eine Schwierigkeit der videobasierten Physiotherapie besteht darin, dass viele ältere Menschen hierfür technisch nicht gut ausgestattet sind. Für die Teilnahme an der Oldenburger Studie hingegen ist das kein Hindernis: Die Wissenschaftler liefern den Patienten Tablets mit Videotelefonie-Software kontaktlos nach Hause, erläutern den Umgang mit den Geräten und beantworten technische Fragen. Alle Tablets sind mit SIM-Karten ausgestattet, sodass für die Teilnahme keine WLAN-Verbindung notwendig ist. Auch Praxen können bei Bedarf Tablets gestellt bekommen.
Mit der Studie wollen die Wissenschaftler klären, welche Hindernisse bei der videobasierten Physiotherapie auftreten, für welche physiotherapeutischen Maßnahmen sie besonders gut geeignet ist und wie Patienten und Therapeuten das Angebot bewerten. Darüber hinaus interessieren sich die Teams um Hein und Zieschang auch für die Frage, wie sich der Gesundheitszustand der Probanden durch die Einschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie verändert. Erste Ergebnisse sollen im Herbst 2020 veröffentlicht werden.