Insekten und andere Wassertiere in ihrer natürlichen Umgebung an Bächen wieder ansiedeln: Das ist Ziel eines neuen Forschungsprojekts unter Leitung der Biologin Ellen Kiel. Drei Jahre lang entwickelt sie mit ihrem Team und studentischer Hilfe geeignete „Wohnmobile“ aus Naturmaterialien wie Holz und Kies.
Bäche und Flüsse dienen dem Menschen seit Jahrhunderten in vielfacher Weise. Man nutzte sie als Trinkwasserlieferant ebenso wie zum Beseitigen von Brauchwasser. Als zentrales Element ausgeklügelter Drainagesysteme halfen sie, Wasser aufzunehmen und abzuführen, und ermöglichten dem Menschen vielerorts erst dadurch die Besiedlung und Bewirtschaftung nasser oder zeitweise überfluteter Gebiete.
Weit jünger ist das differenzierte Wissen um die Ökologie aquatischer Systeme und die negativen Effekte einer rein funktionalen Betrachtung und Bewirtschaftung von Gewässern. Allerdings reichen für eine erfolgreiche Renaturierung allein eine verbesserte Wasserqualität und Gewässerstruktur nicht aus, wie Studien belegen.
Auch die gesetzlich vorgeschriebene Bewertung von Fließgewässern zieht somit die jeweils spezifischen Tiergemeinschaften als zentralen Indikator für das „ökologische Funktionieren“ und die Qualität von Wasserläufen heran. „Die gewässerspezifische Fauna fehlt oft in ‚kaputten‘, lange malträtierten Bächen und kehrt eben nicht immer von selbst dorthin zurück“, sagt Kiel.
Daher beauftragte das nordrhein-westfälische Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz nun die Universität Oldenburg mit dem Forschungs- und Entwicklungsprojekt, um typischen Arten kleiner und mittlerer Bäche bei der Wiederansiedlung in ihrem natürlichen Lebensraum zu helfen.
In dem Projekt in Kooperation mit der Universität Duisburg-Essen und mehreren regionalen Wasserverbänden können Kiel und ihr Team bereits auf Erkenntnisse früherer Arbeiten zurückgreifen. Gemeinsam mit Studierenden der Umweltwissenschaften und Landschaftsökologie haben sie eine geländetaugliche Methode entwickelt, die zugleich wissenschaftlichen Standards genügt.
Die Studierenden verglichen in Feldstudien und Abschlussarbeiten etwa unterschiedliche Materialien wie Holz oder Kies, die eine intakte Bachsohle charakterisieren. Mithilfe von Netzmaterial lassen sich daraus kleine Päckchen schnüren, die etwa Eintags- und Köcherfliegen oder Käfern als Transportmittel zu einem neuen „Wohnort“ dienen.
Weitere Vorstudien erprobten etwa, wie und wie schnell sich die tierischen „Probanden“ am besten wieder aussetzen lassen und verglichen Besiedlungserfolge im zeitlichen Verlauf. Dabei zeigte sich, dass die gewässertypischen Tiere die „Umzugsangebote“ gut annehmen.
Darauf aufbauend kann das Biologen-Team im neuen Projekt nun gezielt Materialien für „Wohnmobile“ auswählen, um etwa Larven verlustfrei zu einem bestimmten Gewässer transportieren und dort ansiedeln zu können.