18,36 Euro pro Monat und Haushalt – ab 2021 wird der Rundfunkbeitrag steigen. Das hat die Ministerpräsidentenkonferenz im März entschieden. Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks war in der Vergangenheit immer wieder ein strittiges Thema, mit dem sich das Bundesverfassungsgericht bereits mehrmals befasste. Volker Boehme-Neßler, Hochschullehrer für Öffentliches Recht, Medien- und Telekommunikationsrecht, erläutert, welche Funktion der Rundfunkbeitrag erfüllt, ob alternative Zahlmodelle möglich wären und wie seine Studierenden über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks denken.
Herr Professor Boehme-Neßler, nicht nur in Deutschland sind die Rundfunkgebühren immer wieder in der Kritik. In Großbritannien hat Boris Johnson im Februar sogar Pläne verlautbaren lassen, die Rundfunkgebühren abzuschaffen und die Angebote der BBC drastisch zu verkleinern. Einige Kritiker sehen das als Angriff auf die Demokratie. Zu Recht?
Ich teile diese Kritik. In einer Demokratie sind die Bürgerinnen und Bürger auf unabhängige, objektive, möglichst qualitativ hochwertige Informationen angewiesen, um sich eine Meinung zu bilden und am demokratischen Diskurs teilzunehmen. Die Beiträge spielen eine wesentliche Rolle, damit der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu diesem Zweck ein vielfältiges Angebot bereitstellen kann. Er ist dann nicht ausschließlich auf Werbeeinnahmen angewiesen und verhältnismäßig unabhängig von wirtschaftlichen Zwängen. Diese Unabhängigkeit und Vielfalt gehen verloren, wenn die Gebühren wegfallen. Darüber hinaus ist ein Angriff auf die BBC auch über Großbritannien hinaus ein symbolischer Akt, denn sie ist Vorbild für öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten weltweit. Auch für das deutsche System war sie prägend: Als die Alliierten in der Nachkriegszeit einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk etablierten, orientierten sie sich dabei auch an der BBC.
Auf welcher gesetzlichen Grundlage steht der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland?
In Deutschland ist der Rundfunk Ländersache. Es gibt also kein Bundesrundfunkgesetz oder etwas Ähnliches. Aber die Bundesländer einigen sich normalerweise auf gemeinsame Regeln, die dann in Staatsverträgen für alle verbindlich festgeschrieben werden. Deshalb gibt es in allen Bundesländern mehr oder weniger einheitliche Regeln für den Rundfunk. Dass jeder Haushalt Gebühren zahlen muss, ist im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag festgelegt.
Kritiker sagen, in den Rundfunkräten seien zu viele Mitglieder politisch befangen.
Das Argument ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Die Rundfunkräte entscheiden in jedem Sender über die inhaltliche Ausrichtung. Sie sind sozusagen die „Parlamente“ der Sender. Hier, so die Theorie, soll die Gesellschaft in ihrer Vielfalt repräsentiert werden, durch Vertreter beispielsweise von Sport- und Kulturvereinigungen, von politischen Parteien, Kirchen und Religionsgemeinschaften.
In der Theorie klingt das gut. In der Praxis ist das schwierig. Denn die einzelnen Verbände und gesellschaftlichen Gruppen schlagen zwar Kandidaten vor, aber unter diesen wählen am Ende die Landesregierungen und Landesparlamente die Mitglieder der Rundfunkräte aus. Das führt nicht selten dazu, dass ehemalige Politiker in neuer Funktion, zum Beispiel als Vorsitzende eines Sportverbandes, in den Rundfunkräten sitzen und dort auch dezidiert politische Ansichten vertreten. Mit solchen Fällen hat sich das Bundesverfassungsgericht schön häufiger beschäftigt und Quoten für Mitglieder mit politischem Hintergrund festgelegt.
Im Moment wird der Rundfunkbeitrag pro Haushalt erhoben, unabhängig von der Anzahl der Personen, die dort wohnen, und deren finanziellen Verhältnissen. Wäre eine einkommensabhängige Steuer nicht gerechter?
Gegen eine Rundfunksteuer spricht der Grundsatz, dass der Rundfunk staatsfrei sein soll: Weder das Parlament noch andere staatliche Institutionen sollen die Zahlungen an den Rundfunk festlegen. Sonst könnten Politiker die öffentlich-rechtlichen Medien maßregeln oder sogar bedrohen, indem sie bei unliebsamen Äußerungen die Rundfunksteuer senken und die Medien finanziell austrocknen. Es bleibt allerdings ungerecht, dass ein Single alleine genauso viel zahlt wie beispielsweise eine fünfköpfige WG gemeinsam. Doch hierzu hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass dies die praktikabelste Lösung ist und diese Ungerechtigkeit daher hinzunehmen ist.
Diskutieren Sie auch mit Studierenden über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks?
Ja, ich halte regelmäßig Vorlesungen zum Thema Medienrecht. Viele Studierende stehen öffentlich-rechtlichen Medien sehr kritisch gegenüber, weil sie kaum mehr im eigentlichen Sinne fernsehen, sondern eher Videos auf Youtube oder Filme auf Netflix schauen. Oft habe ich das Argument gehört: „Ich nutze den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht, warum soll ich dafür zahlen?“ Ich versuche dann zu erklären, dass es sich bei den Abgaben um Beiträge und nicht um Gebühren handelt. Gebühren zahlt man für eine konkrete Leistung des Staates, die man in Anspruch nimmt, zum Beispiel für einen neuen Personalausweis oder für die Müllabfuhr. Der Rundfunkbeitrag hingegen dient dazu, die Infrastruktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu erhalten, der für eine funktionierende Demokratie wichtig ist. Hierfür zahlen wir und nicht für bestimmte Sendungen, die wir schauen oder auch nicht. Von der Infrastruktur profitieren alle, nicht nur die Kunden von ARD und ZDF.
Und können Sie die Studierenden mit diesem Argument überzeugen?
Früher eher weniger, da mussten wir am Ende der Diskussion oft verschiedene Meinungen nebeneinander stehen lassen. Aber das ist ja auch völlig in Ordnung. Seit ungefähr zwei Jahren beobachte ich allerdings, dass viele dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk offener gegenüberstehen. Im Zeitalter von Fake News ist es zunehmend wichtiger, zuverlässige und hochwertige Informationen zu erhalten, und da verlassen sich viele doch eher auf öffentlich-rechtliche Medien. Die Tagesschau zum Beispiel hat nach wie vor sehr hohe Einschaltquoten, obwohl sie vielleicht als etwas altmodisch gilt. Sie steht in der Vorstellung vieler für Qualität, und deshalb ist es auch umso gravierender, wenn hier in der Berichterstattung Fehler passieren.
Interview: Iria Sorge-Röder