Von München bis Helgoland, von Bonn bis Berlin: Am vergangenen Sonnabend versammelten sich Zehntausende allein in Deutschland, um für den Wert von Forschung und Wissenschaft für die Demokratie zu demonstrieren.
An mehr als 600 Orten weltweit zeigten die Demonstranten, dass Wissenschaft und Wissenschaftsfreiheit ein unveräußerliches Gut unserer Kultur sind. Gerade in den USA, wo die Idee des Marsches seinen Ursprung hat, trieb die Sorge um die Zukunft tausende Wissenschaftler und Wissenschafts-Begeisterte auf die Straße: Politiker, die wissenschaftliche Erkenntnisse wie etwa zum Klimawandel leugnen, Regierungen, die Ausgaben für Forschung und Bildung kürzen – all dies bedroht nach Ansicht der Initiatoren des „March for Science“ die Gesellschaft als Ganzes.
Zwar steht in Deutschland die Wissenschaftsfreiheit nicht infrage. Doch auch in manch europäischem Land bedrohen populistische Strömungen den Wert der Wissenschaft und mancherorts sind Wissenschaftler direkt bedroht. Wissenschaft ist international – daraus erwächst nach Meinung der deutschen Initiatoren auch eine Verantwortung füreinander.
Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie Wissenschaftsorganisationen unterstützen die Aktion. Auch die Universität Oldenburg zählt dazu und rief in der vergangenen Woche auf, sich an einer der Kundgebungen in der Nähe zu beteiligen. Die Botschaft kam an: „Wir freuten uns, dass der Universität das Thema genauso wichtig zu sein schien wie uns“, sagt Biologie-Student Jonas Trautvetter, der sich gemeinsam mit Kommilitonen auf den Weg nach Hamburg gemacht hat. Die Fahrt habe sich „mehr als gelohnt“, berichtet Trautvetter. Trotz typischem Hamburger Wetter – Regenschauer und ordentlich Wind – sei die Stimmung toll gewesen. Beeindruckt hat ihn die hoffnungsvolle Atmosphäre und die Kreativität der Demonstranten: Neben Sprüchen auf Schildern wie „Make Science great again“ und „Zu Fakten gibt es keine Alternative“ sprach ihn besonders ein Banner an: „Not all superheroes wear capes – some wear labcoats“.
Auch in Göttingen zeigten rund 2.000 friedliche Demonstrierende „Flagge für die Wissenschaft“. Mit dabei war Rebecca Carroll, Oldenburger Postdoktorandin im Exzellenzcluster Hearing4all. Ihr fiel positiv auf, wie bunt und international die Demonstration war – und dass nicht nur Wissenschaftler, Akademiker und Politiker dabei waren. Die Sorge vieler Teilnehmer über die zunehmende Popularität, etablierte Fakten abzulehnen, sei spürbar gewesen, berichtet Carroll. Aber es habe auch Stimmen gegeben, die mehr Open Access oder bessere Kommunikation mit Laien einforderten. „Für mich alles unterstützenswerte Positionen“, betont die Hörforscherin.
In den sozialen Medien fanden sich viele positive Kommentare – eine Veranstaltung, die Hoffnung mache für die Zukunft, schrieb ein Teilnehmer. Auch Carroll, die im Anschluss an die Demonstration noch mit Passanten ins Gespräch kam, ist inspiriert. Vielleicht müssten Wissenschaftler tatsächlich mehr mit der Bevölkerung kommunizieren, statt nur im Elfenbeinturm geniale Forschung zu betreiben, sagt sie. Dass der Elan der Veranstaltung nicht verfliegt, dafür wollen die Initiatoren in Deutschland und anderswo sorgen – und rufen alle Interessierten auf, sich weiter mit Ideen einzubringen.