• Bei regelmäßigen Videokonferenzen tauschten sich die Teammitglieder untereinander aus. Bild: Group Richardson

48 Stunden für die Wissenschaft

In 48 Stunden von der Projektidee zum Paper – an dieses Unterfangen wagte sich die Doktorandin Nora Bach in einem „Sciathon“ für Nachwuchswissenschaftler. Dieser gehörte zum Alternativprogramm der 70. Lindauer Nobelpreisträgertagung.

In zwei Tagen von der Projektidee zum Paper – an dieses Unterfangen wagte sich die Oldenburger Doktorandin Nora Bach in einem „Sciathon“ für Nachwuchswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen. Der Wettbewerb gehörte zum virtuellen Alternativprogramm der 70. Lindauer Nobelpreisträgertagung.

Inmitten der Corona-Pandemie wartet die ganze Welt darauf, dass ein Impfstoff gefunden wird. Was können Regierungen tun, um in diesem Prozess optimale Bedingungen zu schaffen? Und wie können sie Schäden, die durch die Pandemie entstehen, in Grenzen halten? Zwei Tage und zwei Nächte beschäftigte sich Nora Bach, Promovendin am Institut für Physik, mit diesen Fragen – in einer Gruppe von zehn Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern aus der ganzen Welt. In einem Online-Wettbewerb vom 19. bis zum 21. Juni hatte das Team genau 48 Stunden Zeit, um entsprechende Daten zu gewinnen, sie auszuwerten und die Ergebnisse zu dokumentieren.

Eigentlich sollten sich Bach und ihre Teammitglieder auf der Lindauer Nobelpreisträgertagung treffen; jedes Jahr kommen hier im Sommer rund 30 bis 40 Nobelpreisträger und -preisträgerinnen und 600 Nachwuchswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen für etwa fünf Tage zusammen. Bereits im Oktober 2019 bewarb sich Bach für die Teilnahme, Anfang März kam dann die Zusage. Doch nur zwei Wochen später wurde die Veranstaltung, die dieses Jahr zum 70. Mal stattgefunden hätte, wegen der Corona-Pandemie abgesagt. „Ich hatte damit schon gerechnet, war aber gleichzeitig optimistisch, dass es ein Alternativprogramm geben würde“, sagt Bach, die in der Arbeitsgruppe „Ultraschnelle nanoskalige Dynamik“ von Prof. Dr. Sascha Schäfer promoviert. Und tatsächlich: Nicht nur die Tagung selbst wurde ins Digitale verlagert, die Organisatoren konzipierten und entwickelten zusätzlich ein gänzlich neues Veranstaltungsformat. Um den Teilnehmenden auch digital die Möglichkeit zu geben, gemeinsam wissenschaftlich zu arbeiten, in interdisziplinären Teams Erfahrungen zu teilen und neue Ideen zu entwickeln, fand unter der Schirmherrschaft dreier Nobelpreisträger ein sogenannter „Online-Sciathon“ statt.

Wissenschaft über (Fach-)Grenzen hinweg

Das Format ist angelehnt an die bekannteren Hackathons: Wettbewerbe, bei denen Programmierer in einem festgelegten Zeitraum vorgegebene Aufgaben lösen und dabei beispielsweise neue Apps entwickeln. Wie der Name schon vermuten lässt, geht es im Sciathon aber um Wissenschaft. 48 Teams mit jeweils zehn Teilnehmern traten gegeneinander an – dabei ging es um drei verschiedene aktuelle Fragestellungen: die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie, die Kommunikation zum Klimawandel und Strategien für eine stärkere Vernetzung und mehr Nachhaltigkeit in der Wissenschaft. Bei den „Online Science Days“, die Ende Juni anstelle der Tagung in Lindau stattfanden, prämierte eine 15-köpfige Jury insgesamt neun Gewinner.

Nicht nur die Nachwuchswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen, die zur diesjährigen Tagung eingeladen waren, auch die Teilnehmenden früherer Tagungen konnten sich für den Sciathon anmelden. Wer zu welcher Projektgruppe gehörte, entschied letztlich die persönliche Interessenlage. So fanden sich in Bachs Team unter anderem Biologinnen, Physikerinnen und Wirtschaftswissenschaftler wieder, die aktuell in Deutschland, der Schweiz, Spanien, den Niederlanden, Russland, den USA und Indien leben. Eine große Herausforderung stellten dabei die unterschiedlichen Zeitzonen dar. Um die Zeit optimal zu nutzen, beschäftigten sich die Teammitglieder individuell mit verschiedenen Unterthemen und trafen sich regelmäßig zum Austausch per Videokonferenz. Während die einen arbeiteten, gönnten sich die anderen ein Nickerchen – doch viel Zeit zum Ausruhen oder für ausgiebige Mahlzeiten blieb nicht. „Wer vorgekocht hat, war klar im Vorteil“, sagt Bach lachend.

Vom Paper zum YouTube-Video

Bach und ihre Teamkolleginnen und -kollegen untersuchten die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und medizinischen Auswirkungen der Corona-Pandemie, um für die Politik Empfehlungen zur Bewältigung der Krise abzuleiten. Die Börsenkurse von Pharmaunternehmen werteten sie dafür genauso aus wie Pressemitteilungen oder Google-Trends-Analysen. Eine ihrer Schlussfolgerungen: Regierungen sollten möglichst viele Unternehmen in der Impfstoffentwicklung fördern. Nur so könne sichergestellt werden, dass möglichst viele Ansätze weiterverfolgt werden und es nicht sofort zu einem starken Verdrängungswettbewerb kommt.

Bis zur letzten Minute arbeiteten die Teammitglieder an ihrem Projekt. Nach 48 Stunden, am Sonntagnachmittag um fünf Uhr, waren ein fünfseitiges Paper und eine öffentlich zugängliche-Web-App fertig, in der die Nachwuchswissenschaftler ihre Ergebnisse präsentierten. Doch damit nicht genug: Bis um 8 Uhr am Montagmorgen mussten die Teammitglieder außerdem ein Video produzieren, in dem sie allgemeinverständlich ihre Ergebnisse vorstellten. Auch diese Herausforderung meisterte die Gruppe gemeinsam – noch bis fünf Uhr morgens war Bach mit anderen Mitgliedern im Austausch, um kurz vor acht war das Video fertig. „Ich bin immer noch überwältigt vom großen Teamgeist in unserer Gruppe“, freut sich Bach.

Auf das Siegertreppchen schaffte es Bachs Gruppe zwar nicht, doch davon lassen sich die Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler nicht bremsen. Sie stehen nach wie vor miteinander in Kontakt und arbeiten weiter an ihrem Projekt, um die Ergebnisse in einer Fachzeitschrift zu veröffentlichen. Und sie hoffen darauf, sich 2021 endlich auch persönlich kennenzulernen – denn ihre Einladung zur Nobelpreisträgertagung gilt auch fürs nächste Jahr.

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