• Blick auf Strand im Gegenlicht.

    Die Übergangszone zwischen Land und Meer ist an Nordsee-Stränden mit hohen Wellen und starkem Tidenhub besonders dynamisch – auch unter der Oberfläche. Bild: Universität Oldenburg

  • Viele Personen führen Messungen auf einem Sandstrand durch.

    Bei einer Vorkampagne auf Spiekeroog haben Oldenburger Forscherinnen und Forscher die Zusammensetzung des Porenwassers und den Grundwasserabfluss unterhalb des Strandes ermittelt. Foto: Janis Ahrens

Dynamische Unterwelt

Die DFG fördert eine neue Forschungsgruppe an der Universität. Das Vorhaben DynaDeep, geleitet von der Hydrogeologin Gudrun Massmann, erkundet mit einem unterirdischen Messfeld auf der Insel Spiekeroog einen weitgehend unbekannten Lebensraum.

Die DFG fördert eine neue Forschungsgruppe an der Universität. Im Vorhaben DynaDeep, geleitet von der Hydrogeologin Gudrun Massmann, entsteht ein unterirdisches Messfeld auf der Insel Spiekeroog.

Im Untergrund von wellenumtosten Nordseestränden spielen sich vielfältige chemische, geologische und mikrobiologische Prozesse ab, über die bislang wenig bekannt ist. Diese dynamische Unterwelt, in der sich Salz- und Süßwasser vermischen und die in der Fachsprache „subterranes Ästuar“ heißt, steht im Mittelpunkt einer neuen Forschungsgruppe unter Leitung der Hydrogeologin Prof. Dr. Gudrun Massmann, die am Institut für Biologie und Umweltwissenschaften (IBU) und am Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) der Universität Oldenburg forscht und lehrt. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Vorhaben in den kommenden vier Jahren mit bis zu fünf Millionen Euro. Ziel der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist es abzuschätzen, welche Bedeutung die Vorgänge im Untergrund für Küstenökosysteme und globale Stoffkreisläufe haben. Dafür will das Team ein unterirdisches Online-Messfeld vor der Insel Spiekeroog aufbauen, das die bereits bestehende Infrastruktur des Küstenobservatoriums Spiekeroog des ICBM erweitern wird.

„Spiekeroog ist die ‚Hausinsel‘ der Oldenburger Umwelt- und Meeresforschung. Mit der Bewilligung der neuen Forschungsgruppe würdigt die Deutsche Forschungsgemeinschaft die intensive Grundlagenforschung, die hier in den vergangenen Jahren stattgefunden hat“, sagt Universitätspräsident Prof. Dr. Dr. Hans Michael Piper. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit der beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werde das Verständnis eines weitgehend unbekannten Lebensraums am Übergang zwischen Land und Meer entscheidend voranbringen.

Übergangszone unter der Oberfläche

An dem Vorhaben mit dem Titel DynaDeep („The Dynamic Deep Subsurface of High-Energy Beaches“) sind neben Massmanns Arbeitsgruppe vor allem Forscherinnen und Forscher des ICBM beteiligt. Hinzu kommen Partner des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven, des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie in Bremen, des Leibniz-Instituts für Angewandte Geophysik in Hannover, der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover sowie der Universität Kiel. Das Team wird von einem Netzwerk von Kooperationspartnern und lokalen Akteuren unterstützt, darunter die Nationalparkverwaltung Niedersächsisches Wattenmeer (NLPV), die Forschungsstelle Küste des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) und die Gemeinde Spiekeroog.

Als Ästuare bezeichnen Geowissenschaftler die Mündungsgebiete von Flüssen. „Subterrane Ästuare sind ebenfalls eine Übergangszone zwischen Land und Meer, aber eben unter der Oberfläche“, erläutert Massmann. Die neue Forschungsgruppe richtet ihren Blick vor allem auf sogenannte Hochenergiestrände wie etwa an der Nordseite der Ostfriesischen Inseln. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass dort hohe Wellen ungebremst auf Land treffen und der Tidenhub mehrere Meter beträgt. „Im Untergrund dieser Strände mischen sich süßes Grundwasser und Meerwasser. Dort finden biogeochemische Reaktionen statt, durch die sich die Zusammensetzung des Grundwassers ständig verändert“, so Massmann weiter. Bislang sei jedoch wenig darüber bekannt, wie wichtig diese unterirdischen und dynamischen „biogeochemischen Reaktoren“ für die Ökosysteme am Übergang zwischen Land und Meer sind.

Wechselnde Lebensbedingungen

In ihrem Projekt wollen die Forscherinnen und Forscher Sedimentumlagerung und Grundwasserströmungsmuster untersuchen und herausfinden, wieviel organische Substanz im Untergrund durch Mikroben oder durch abiotische Prozesse abgebaut wird. Darüber hinaus befasst sich das Team mit Spurenmetallen und mit der Mikrobengemeinschaft im Untergrund, die mit ständig wechselnden Lebensbedingungen zurechtkommen muss.

Massmann und ihre Kolleginnen werden in insgesamt sechs Teilprojekten Felduntersuchungen, Experimente und mathematische Modellierungen durchführen. In der ersten Projektphase, die auf vier Jahre angelegt ist, konzentriert sich das Projekt auf den Standort Spiekeroog. Dort soll ein unterirdisches Messfeld entstehen. Messgeräte in Grundwassermessstellen sollen beispielsweise Größen wie elektrische Leitfähigkeit, Druck, Temperatur sowie Sauerstoff- und Nitratkonzentrationen permanent in kurzen Zeitabständen registrieren. So können die Forscher die Grundwasserströmung und biogeochemische Reaktionen im Untergrund überwachen.

Messungen in der Gezeitenzone

Außerdem will das Team einen mit verschiedenen Instrumenten ausgestatteten Messpfeiler in der Gezeitenzone installieren, die bei Niedrigwasser regelmäßig trockenfällt. Von dort aus soll zum Beispiel die Veränderung der Strandoberfläche beobachtet werden. Ein Container am Dünenfuß soll außerhalb der Sturmflutsaison für die Übertragung von Daten, als Lagerraum für Ausrüstung und als Informationsplattform für die Öffentlichkeit dienen. Die permanenten Messeinrichtungen werden durch regelmäßige geophysikalische, hydrochemische und mikrobiologische Messkampagnen ergänzt.

Das Team plant, die Erkenntnisse aus der ersten Phase anschließend an anderen Standorten zu überprüfen. „Die unterirdischen, dynamischen Bioreaktoren an der Grenze zwischen Land und Meer unterscheiden sich vermutlich grundlegend von jedem anderen Lebensraum im tiefen Untergrund, sowohl auf den Kontinenten als auch unter den Ozeanen“, fasst Massmann zusammen. „Unser ultimatives Ziel ist es, die Funktionsweise dieser einzigartigen Umgebung besser zu verstehen und ein allgemeines Konzept zu entwickeln, das sich auf andere Hochenergiestrände übertragen lässt.“

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