Ökonomisches und ökologisches Denken schon bei Gründung neuer Unternehmen gezielt verbinden: Diesem Ziel hat sich ein Projektteam unter Oldenburger Leitung verschrieben, das es auf die Shortlist der Europäischen Unternehmensförderpreise geschafft hat.
Studierende, die sich in ihrer Ausbildung auf Nachhaltigkeit im Wirtschaftsleben spezialisieren, unterstützen Gründungsteams und etablierte Unternehmen dabei, selbst nachhaltiger zu werden – diese Idee misst sich am Dienstag in Prag mit anderen Projekten, die als Sieger nationaler Vorentscheide ins Rennen um die „European Enterprise Promotion Awards“ (EEPA) gehen. ScaleUp4Sustainability (S4S) – zu Deutsch etwa „Nachhaltigkeitslösungen in die Breite tragen“– heißt das internationale Projekt mit neun Partnern unter Leitung des Oldenburger Wirtschaftswissenschaftlers Prof. Dr. Klaus Fichter.
Das Ziel: „Wer künftig ein Unternehmen gründet oder eine neue Geschäftsidee, ein neues Produkt entwickelt, sollte Nachhaltigkeit und Ökologie dabei von vornherein einbeziehen“, so Fichter, der an der Universität zu Innovationsmanagement und Nachhaltigkeit forscht und lehrt. „Unser Konzept des sogenannten kooperativen Green Venturing hat im Zusammenspiel von Studierenden und Unternehmen aus Deutschland, Schweden und den Niederlanden konkrete Ideen und Umsetzungsprojekte geschaffen, die wirtschaftliche Lösungen mit Umwelt- und Klimaschutz verbinden.“
Das im EU-Programm Erasmus+ geförderte Projekt S4S brachte insgesamt knapp 300 Studierende aus Oldenburg, dem schwedischen Linköping sowie Breda beziehungsweise Twente aus den Niederlanden mit Unternehmen der jeweiligen Region zusammen, darunter in Oldenburg das Chemieunternehmen BÜFA, der Fotodienstleister CEWE sowie das Versorgungsunternehmen EWE.
Für Christina Ludwig zum Beispiel, die seit Jahresbeginn ihren Masterabschluss in „Sustainability Economics and Management“ in der Tasche hat, bot S4S einen „spannenden Realitätscheck“ für die im Studium vermittelte Theorie und ihre eigenen Vorstellungen und Ideen. Gemeinsam mit circa 20 weiteren Oldenburger Studierenden stand sie im Modul „Eco-Venturing“ vor der Aufgabe, neue nachhaltige Produktideen für CEWE zu entwickeln.
„Es ging darum, komplett neue Produkte von der Pike auf zu entwickeln – dazu zählte die Produktplanung, Zeit- und Kostenplanung, Marketingstrategie und so weiter“, erzählt sie. „Die transdisziplinäre Zusammenarbeit war sehr bereichernd und zugleich lehrreich – einerseits mit Studierenden aus anderen wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen der Universität, andererseits mit Mitarbeitenden aus verschiedenen Fachbereichen des Unternehmens, die für uns als Ansprechpartner zur Verfügung standen.“ Ludwig, inzwischen Nachhaltigkeitsberaterin beim Oldenburger IT-Dienstleister BTC, erinnert sich an eine „sehr herausfordernde, aber sehr interessante Zeit“.
Den Austausch zwischen Studierenden und Unternehmen sieht sie als Gewinn für beide Seiten: „Den Unternehmen bringt der externe Blick frischen Wind und neue Überlegungen, auch für Dinge, die vielleicht bislang nur angedacht waren. Bei bestimmten Aspekten braucht es manchmal andere Denkanstöße, um auf neue Ideen zu kommen.“ Umgekehrt sei es für sie als Studentin ungemein wertvoll gewesen, nachhaltige Produktentwicklung praxisorientiert durchgespielt zu haben und dabei „sowohl verschiedene Blickwinkel kennengelernt als auch die breite Palette, die zum Beispiel ein neues Produkt erfüllen muss, mitgedacht zu haben“.
Auch mit den anderen regionalen Wirtschaftspartnern konzipierten die Projektbeteiligten neue Lehrformate, zugeschnitten auf nachhaltigkeitsbezogene Fragestellungen in den Unternehmen. So entstand etwa der „Green Business Idea Jam“, ein Workshop, in dem Studierende und BÜFA-Mitarbeitende gemeinsam Ideen entwickelten, um den CO2-Fußabdruck des Unternehmens zu reduzieren. Und die EWE-Unternehmensentwicklung coachte im Modul „Digitalisierung und Nachhaltigkeit“ von Prof. Dr. Jörn Hoppmann Studierende beim Entwickeln neuer, nachhaltiger Geschäftsideen mit der Methode „Design Thinking“. Solche und andere Konzepte sollen künftig auch andernorts die wirtschaftswissenschaftliche Lehre bereichern und Nachhaltigkeit als selbstverständlichen Bestandteil in neuen Geschäftsmodellen verankern helfen.
Ursprünglich als Teil des Vorhabens geplante internationale Austauschformate für Studierende ließen sich aufgrund pandemiebedingter Reisebeschränkungen ausschließlich online realisieren. „Dieser vermeintliche Nachteil erwies sich als erster Erfolg“, erinnert sich die Wissenschaftliche Mitarbeiterin Anne Seela. So habe das Team Online-Formate wie die „Fujifilm Future Challenge“ oder die „Circular Challenge“ zum Thema Kreislaufwirtschaft extracurricular auch für Studierende aus Oldenburg öffnen können, die dort in international gemischten Teams vielfältige Ideen etwa zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen entwickelten. Auch die Lehrenden arbeiteten dabei länderübergreifend im Coaching zusammen.
Und aus diesen Erfahrungen entstand ein – seit März ebenfalls im EU-Programm Erasmus+ gefördertes – Nachfolgeprojekt. Unter der Überschrift Challenge4Impact (C4I), zu Deutsch etwa „Herausforderung mit Wirkung“, arbeiten darin bis August 2024 Teams der Universitäten Oldenburg und Linköping sowie der akademische Beratungsservice aus dem niederländischen Vennebroek zusammen, wiederum unter Leitung von Fichter. Das sogenannte Challenge-based Learning, bei dem Studierende zu realen Fragestellungen von Unternehmen eigenständige Lösungsansätze entwickeln, steht nun im Mittelpunkt virtueller und internationaler Lehr-Lernformate. Ziel von C4I: im Hinblick auf nachhaltiges Unternehmertum ein europäisches Netzwerk für Challenge-basiertes Lernen zu etablieren und dabei auf die Ergebnisse von S4S aufzubauen.
Ein weiterer Erfolg im EU-Wettbewerb am Montag in Prag wäre für die Arbeit im Folgeprojekt willkommener zusätzlicher Rückenwind.