Janna Bauermeister verbrachte ein Semester an der Mumbai University – eine der größten Universitäten der Welt. Hyo-Jei Cho aus Seoul studiert in Oldenburg den internationalen Bachelor Engineering Physics. Zwei Erfahrungsberichte.
„Mein Ziel ist es, auf jedem Kontinent ein halbes Jahr gelebt zu haben.“ Diesen ehrgeizigen Plan verfolgt Janna Bauermeister seit ihrer Jugend. Mit 15 ging die Masterstudentin für ein Schuljahr nach New York, im Bachelor ein Semester nach Johannesburg. Als sie von der neuen Kooperation mit Indien durch ihren Job als Studentische Hilfskraft im International Student Office (ISO) erfuhr, war ihr sofort klar: Dahin soll’s als nächstes gehen. Gesagt, getan: Gemeinsam mit zwei anderen Oldenburgerinnen verbrachte die 24-Jährige vier Monate an der Mumbai University.
In Oldenburg studiert Janna Englisch und Sachunterreicht auf Grundschullehramt. Nach der Zusage vermietete sie ihr Zimmer und beantragte das Visum. Der Start in Indien war unkompliziert: „Die haben alles für uns geregelt, selbst die Wohnung“, erzählt sie. Unfassbare 770.000 Studierende hat die Mumbai University, 22 Millionen Einwohner die Stadt. Janna wohnte mit vier anderen deutschen Studentinnen in einer Wohnung auf dem Kalina Campus. „Das ist einer der schönsten. Die Gebäude sind zwar älter und nicht so prächtig wie die viktorianischen Bauten im Süden Mumbais, aber dafür ist der Campus grün. Die größte Grünfläche der Stadt!“
„Ich bin viel gelassener geworden“
Obwohl Janna schon auf das Ende ihres Studiums zusteuert, konnte sie in Mumbai viel mitnehmen aus den Seminaren. „Wir haben uns mit Online-Kursen beschäftigt, was das ist, und wie man sie im Unterricht einsetzen kann. Das war neu für mich“, erinnert sie sich. Auch die Erfahrungen mit einem fremden Schulsystem waren prägend. Für ein Projekt unterrichtete Janna in einem abgelegenen Dorf. „Die Kinder konnten trotz sieben Jahren Englisch-Unterricht kaum mit der Sprache umgehen. Da wurde mir erst klar, dass das tatsächlich eine Fremdsprache ist. In Deutschland gehen wir so selbstverständlich damit um. Seitdem bin ich verständnisvoller mit Schülern.“
Sowieso sei sie viel gelassener geworden. „Vor Indien war ich wirklich immer pünktlich und ganz strikt. Das hat sich geändert.“ Wenn sich Reisende in Deutschland über einen 20 Minuten verspäteten Zug aufregen, kann die gebürtige Wolfsburgerin nur schmunzeln: Auf ihren Reisen sei sie häufig 15 Stunden oder länger unterwegs gewesen. Auch in der Kommunikation mit den Dozenten ging es entspannter zu. „Alles lief über WhatsApp. Wenn ein Kurs ausfiel, schrieb der Dozent in die Gruppe. Das war total unkompliziert.“
Als eine von neun Austauschstudenten in dem relativ kleinen Jahrgang war es für Janna leicht, auch die Einheimischen kennenzulernen. „Wir sind zusammen essen gegangen, haben Partys gefeiert, und wurden von den Indern nach Hause eingeladen.“ Weihnachten verbrachte sie in Goa bei der katholischen Familie eines Freundes. „Zu erleben, wie die in ihrem kleinen Dorf wohnen – das war was ganz anderes.“ Auch die Dozenten ermutigten sie zum Reisen, ermunterten sie, Kultur und Land kennenzulernen. „Damals in Johannesburg war das anders, da war ich komplett auf die Uni fokussiert.“
Nach ihrem Abschluss steht für Janna der nächste Kontinent auf dem Plan: Zentral- und Südamerika. Auch von Indien hat sie noch nicht genug: „Obwohl ich so lange da war, hab ich noch nicht alles gesehen. Indien ist so groß wie Europa und hat genauso viele Kulturen und Sprachen."
Von Seoul nach Oldenburg
Vor zwei Jahren kam der Südkoreaner Hyo-Jei Cho zum Studium nach Oldenburg – Auslandserfahrung hatte er da trotz seiner erst 24 Jahre schon reichlich im Gepäck. Als Jugendlicher besuchte er in den USA die High-School, danach begann er, Umweltwissenschaften an der University of Oregon zu studieren. Um den Wehrdienst in seinem Heimatland Südkorea zu absolvieren, musste er sein Studium jedoch unterbrechen. Für ihn die Chance, sich nach alternativen Studienorten umzuschauen. „Das Studium in den USA ist extrem teuer und auch mit den Studieninhalten war ich unzufrieden“, erklärt Hyo-Jei. Über eine Beratungsagentur erfuhr er vom Angebot in Deutschland. Auf den Seiten des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) suchte er nach Studiengängen im Bereich Erneuerbare Energien: Nur zwei Universitäten fordern keinen Deutschnachweis, da das Studium zu großen Teilen auf Englisch stattfindet. Eine davon ist Oldenburg.
Hier studiert er nun bereits im vierten Semester den Bachelor Engineering Physics mit dem Schwerpunkt Renewable Energies. „Das Studium in Deutschland ist schwieriger als in den USA. Aber ich glaube, genau deswegen ist es auch besser“, stellt Hyo-Jei fest. Schließlich würden die Inhalte hier nicht nur auswendig gelernt, sondern auch selbst erarbeitet. „Der Stoff aus den ersten Semestern taucht auch später wieder auf. Man muss ihn also wirklich verstehen“, sagt er.
Auch das Studentenleben in Oldenburg gefällt Hyo-Jei. Dank der Orientierungswoche für internationale Studierende war es leicht, an der Universität anzukommen und Leute kennenzulernen. „Wir haben viel zusammen unternommen, Ausflüge gemacht oder sind einfach was trinken gegangen“, erinnert er sich. In der Semesterzeit bietet das International Student Office (ISO) regelmäßig Spieleabende, Karaoke, gemeinsame Abendessen und andere Veranstaltungen an. Auf den Events könne man sich hervorragend austauschen, „auch viele deutsche Studenten kommen gerne dazu“, erzählt er. „Da ich ja kein Austauschstudent bin, ist es natürlich leichter, intensivere Kontakte auch zu deutschen Kommilitonen aufzubauen.“ Das Vorurteil, Deutsche seien zurückhaltend oder gar kühl, kann er nicht bestätigen: „Es dauert zwar manchmal etwas, bis ihr euch öffnet, aber dafür hat man dann wirklich gute Freunde gefunden.“
„Eine tolle Stadt zum Studieren“
Mittlerweile fühlt sich Hyo-Jei wie zu Hause. Das einzige, was ihn stört, ist das schlechte Wetter – vor allem im Winter. Ansonsten sei Oldenburg eine tolle Stadt zum Studieren. Weder zu groß noch zu klein und vor allem sehr entspannt. „In einer größeren Stadt würde ich wohl nicht so viel Zeit auf dem Campus verbringen“, schmunzelt er. Auch dass Oldenburg eine Fahrradstadt ist, freut ihn: „Das kenne ich aus Oregon – eine der besten Fahrrad-Städte in den USA“.
An Europa schätzt er aber vor allem die Reisemöglichkeiten: „Die Infrastruktur ist besser als in Amerika, die Flüge sind sehr günstig oder man kann mit dem Interrail Zugticket quer durch Europa fahren. Die einfache Erreichbarkeit ist sehr cool.“ In Zukunft will Hyo-Jei auf jeden Fall noch mehr von Deutschland sehen – bisher hat er es nur nach Bremen und Hamburg geschafft. Da bleibt auch neben dem Studium noch viel zu entdecken.