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  • Jingjing Xu mit Blumenstrauß, Urkunde und ihrer kleinen Tochter.

    Preisträgerin Jingjing Xu ist nicht nur erfolgreiche Nachwuchswissenschaftlerin, sondern auch Mutter einer 20 Monate alten Tochter.

  • Jenka Schmidt (l.) und Katja Kaboth-Larsen (r.) vom International Office der Universität Oldenburg überreichten die Auszeichnung an Jingjing Xu. Sie wurde von Henrik Mouritsen, in dessen Arbeitsgruppe "Neurosensorik / Animal Navigation" sie tätig ist, für den DAAD-Preis vorgeschlagen.

Karrierestart und zweites Zuhause in Oldenburg

Eigentlich wollte Jingjing Xu nur ein Jahr an der Universität Oldenburg bleiben. Das war 2017. Für ihre Forschung blieb sie länger – und wird jetzt mit dem DAAD-Preis für hervorragende Leistungen internationaler Studierender ausgezeichnet.

Als Jingjing Xu am 17. August 2017 im Labor steht und sieht, dass das Protein, das sie gerade extrahiert hat, eine gelbe Färbung aufweist, weiß sie: Sie wird länger in Oldenburg bleiben als ursprünglich geplant. „Die Welt um mich herum war zwar die gleiche wie vorher, aber in mir hatte sich alles verändert“, sagt die heute 30-Jährige rückblickend. Für ihre Forschungsleistung, die an diesem Tag im August ihren ersten Höhepunkt hatte, erhält die Biologin aus China jetzt den mit 1.000 Euro dotierten Preis des Deutschen Akademischen Austauschdienstes für hervorragende Leistungen internationaler Studierender an deutschen Hochschulen.

Die gelbe Probe, die zumindest Jingjing Xus nahe Zukunft maßgeblich beeinflusste, zeigte der jungen Wissenschaftlerin damals an, dass ihre Arbeit der zurückliegenden Monate erfolgreich gewesen war. Der Doktorandin war in wenigen Monaten das gelungen, worauf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereits seit mehr als einer Dekade hingearbeitet hatten: Sie hatte das Eiweiß Cryptochrom 4 mit Hilfe von Bakterienzellen produziert. Für Forschende, die sich mit der Frage beschäftigen, wie Zugvögel auf ihrem Weg um die halbe Erde navigieren, ist dieser Durchbruch eine kleine Sensation. Schließlich steht das Eiweiß, das unter anderem in der Netzhaut von Vögeln vorkommt, im Verdacht, genau der Magnetsensor zu sein, der auf das Magnetfeld der Erde reagiert und den Tieren so den Weg weist. Die Produktion dieses Proteins ermöglicht weitere Forschung auf diesem Gebiet.

Faszination für das Mysteriöse

„Das Phänomen des Vogelzugs ist ein Mysterium“, sagt Jingjing Xu. „Woher Vögel wissen, wo sie hinmüssen, ist für uns Menschen schwer zu verstehen. Wir brauchen dafür schließlich Google Maps“, sagt sie lachend. Das Mysteriöse war es auch, das sie schon im Biologie-Studium an diesem Forschungsfeld faszinierte.

Mit einem Stipendium der Chinese Academy of Sciences in der Tasche bewarb sie sich nach ihrem Master schließlich als Gastwissenschaftlerin in Oldenburg bei der Arbeitsgruppe Neurosensorik / Animal Navigation von Prof. Dr. Henrik Mouritsen. „Mir gefällt die Interdisziplinarität, hier arbeiten Verhaltenswissenschaftlerinnen, Molekularbiologen, Neurobiologinnen und Neuroanatomen zusammen“, sagt sie. Deshalb sei die Arbeitsgruppe an der Universität Oldenburg ihre absolute Wunschgruppe gewesen.

Vorbereitet auf die Forschung, aber nicht aufs Leben in Deutschland

Bevor es aber tatsächlich nach Deutschland ging, büffelte Jingjing Xu bis zum letzten Tag vor dem Abflug bei Prof. Dr. Can Xie in Peking die Produktion und Reinigung von Proteinen, weil sie um die Bedeutung dieser Technik in der Magenetrezeptionsforschung wusste.

Deshalb fehlte ihr die Zeit, sich auf ihr neues Leben in Deutschland vorzubereiten. Stattdessen erreicht die junge Frau Oldenburg im Januar 2017 völlig unvorbereitet und in einer Jahreszeit, mit der sie sich bis heute nicht richtig anfreunden kann. An die Kälte habe sie sich zwar gewöhnt, nicht aber an die Dunkelheit des deutschen Winters, sagt Xu.

Unterstützung von der Familie in China

Oldenburg und Jingjing Xu – das ist trotzdem eine Kombination, die von Anfang an hervorragend funktioniert hat. Schon nach wenigen Monaten bot Mouritsen der Chinesin eine Promotionsstelle an. Für die junge Frau bedeutete das: Statt nur ein Jahr würde sie eher drei bis vier Jahre lang im Ausland bleiben. „Meine Eltern sind keine Akademiker“, erzählt die Biologin. Trotzdem unterstützen sie den wissenschaftlichen Ehrgeiz ihrer Tochter. „Besonders meine Mutter und meine Großmutter haben ihre ganz eigene, unakademische Weisheit.“ Und die lautet unter anderem: Jeder muss irgendwann lernen, unabhängig zu werden – auch wenn das für die Familie eine jahrelange Trennung bedeutet.

Ihre Mutter unterstützt ihre Tochter dabei aus dem 8.000 Kilometer entfernten Zaozhuang an der chinesischen Ostküste auf ihre Weise. Per Videochat bringt sie ihr bei, chinesische Gerichte zu kochen und chinesisches Brot zuzubereiten. Und natürlich stellt sie regelmäßig die für Mütter so typische Frage: Bist Du warm genug angezogen?

Hochzeit und Nachwuchs in Deutschland

Neben ihrer Familie musste die junge Frau auch ihrem Freund Junxiao Qin beibringen, dass sie nicht wie erwartet nach einem Jahr zu ihm zurückkehren würde. Stattdessen kam er zu ihr: Im Sommer 2018 folgte Qin seiner Partnerin nach Oldenburg und fand eine Stelle als Programmierer im Datenmanagement, ebenfalls an der Universität. Ein Jahr später heiratete das Paar im Generalkonsulat der Volksrepublik China in Hamburg.

Wenige Tage vor der Verleihung des DAAD-Preises sitzt Jingjing Xu in ihrem Büro auf dem Campus Wechloy. Auf ihrem Schreibtisch steht der Rucksack ihrer 20 Monate alten Tochter, den ihr Mann am Morgen vergessen hat, als er zuerst seine Frau zur Arbeit und dann die Kleine in die Kita gebracht hat. Seit die beiden Eltern geworden sind, arbeitet sie morgens, er nachmittags. Gemeinsam leben sie in einer Wohnung nahe dem Campus und inzwischen hat die Chinesin auch den deutschen Führerschein in der Tasche. Das mache ihr die Integration in Deutschland noch einmal leichter, sagt sie.

Angekommen in Oldenburg

Nicht nur berufliche Erfolge, sondern auch viele Erinnerungen hat die 30-Jährige in ihrer Zeit in Deutschland schon gesammelt. In Oldenburg habe sie Forschungskolleginnen und -kollegen getroffen, die Freunde wurden, und mit dem Oldenburger Hafen sogar ihren Lieblingsort in der Stadt, die sie inzwischen ein zweites Zuhause nennt.

Trotzdem sei es nicht immer leicht, die Entfernung zur Familie in China auszuhalten. 2018 war die junge Wissenschaftlerin zum letzten Mal in ihrer Heimat. Als sie zum Jahresende 2019 erneut nach Fernost reisen wollte, war Covid-19 in ihrem Heimatland bereits ausgebrochen. Die Reise fiel aus, und ihre Eltern in China kennen die eigene Enkelin bisher nur vom Computerbildschirm. Immerhin einen Vorteil hat die aktuelle Lage: Die Verleihung des DAAD-Preises findet online statt, so dass Jingjing Xus Familie in China am Bildschirm dabei sein kann.

Nominiert dafür hat sie ihr Doktorvater Henrik Mouritsen. Er macht kein Geheimnis daraus, wie viel er von der jungen Forscherin hält. Sie sei die talentierteste Wissenschaftlerin, die er jemals in seinem Labor gehabt habe, schreibt er in seiner Nominierung. Ein überzeugender Beleg dafür ist der Artikel, der auf ihrer Arbeit an Cryptochrom 4 basiert. Xu war die Hauptautorin einer Studie mit mehr als 30 Co-Autorinnen und -Autoren, die es im Sommer 2021 auf den Titel des renommierten Fachmagazins „Nature“ schaffte.

Außerdem würdigt der DAAD das soziale Engagement der Wissenschaftlerin. Im Graduiertenkolleg sei sie eine tragende Säule für die Förderung der Integration ausländischer Promovierender und Forschenden, bescheinigt ihr Dr. Beate Grünberg, wissenschaftliche Koordinatorin des Graduiertenkollegs „Molecular Basis of Sensory Biology“. Unter anderem habe sie ein internes Buddy-System entwickelt, das ankommenden Promovierenden das Ankommen erleichtert, und ausländische Eltern bei der Beantragung von Elternzeit und Kindergeld beraten.

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