• Egal ob Sommer oder Winter – sobald der Wind stimmt, ist Jannis Maus auf dem Wasser unterwegs. Foto: Carsten Hokema

Zwischen Wellen und Wechloy

Jannis Maus ist als Kitesurfer international erfolgreich – und Oldenburger Chemiestudent. Wenn

er nicht gerade mit viel Rückenwind dem nächsten Titel entgegenfährt, führt er ein überraschend

normales Studentenleben.

Jannis Maus ist als Kitesurfer international erfolgreich – und Chemiestudent. Wenn er nicht gerade mit viel Rückenwind dem nächsten Titel entgegenfährt, führt er ein überraschend normales Studentenleben.

Während andere Studenten sich sonntagsmorgens nochmal umdrehen und die Decke über den Kopf ziehen, ist Jannis Maus bereits auf dem Weg an die Küste. Jede freie Minute nutzt der 23-Jährige, um auf seinem Kiteboard – einem kleinen Surfbrett, das von einem Lenkdrachen gezogen wird – über das Wasser zu schießen. Das Engagement zahlt sich aus: Im letzten Jahr wurde Jannis deutscher Meister in der Kategorie Race, im Jahr davor sogar Weltmeister. Wenn er nicht gerade trainiert oder auf einem Wettkampf ist, lernt Jannis für sein Studium: seit vier Semestern studiert er Chemie. Über den Campus Wechloy sagt er: „Hier ist es super entspannt. Die Wege sind kurz und man kann draußen arbeiten, im Innenhof oder an den Außenplätzen der Bibliothek.“

Im Sommer, wenn die Saison läuft, muss er manchmal improvisieren, um Studium und Profisport unter einen Hut zu kriegen. „Die Wettkämpfe sind glücklicherweise oft an den Wochenenden, so dass ich selten Vorlesungen verpasse. Kommt das doch vor, besorge ich mir die Unterlagen von Kommilitonen“, sagt er. Die Autofahrten nach Hooksiel, Sylt oder Fehmarn nutzt Jannis, um Vorlesungen oder Praktika vor- und nachzubereiten: „Während mein Vater fährt, kann ich auf dem Laptop Protokolle schreiben“, erzählt er. „Ich bin da recht diszipliniert.“ Das zahlt sich aus: Bisher musste er noch keine Prüfung wiederholen.

Auf dem Wasser setzt Jannis vor allem auf Tempo – das Racing, also das Kitesurfen mit größtmöglicher Geschwindigkeit, ist seine Paradedisziplin. Neuartige Boards, sogenannte Hydrofoils, sorgen seit der vergangenen Saison für noch schnellere Rennen. Das Hydrofoil ist ein normales Board mit einem Mast an der Unterseite, der einen Meter lang ist und zwei Tragflächen hat. „Sieht aus wie ein Modellflugzeug“, scherzt Jannis. Gewinnt der Kiter an Fahrt, generieren die Tragflächen Auftrieb, das Board kommt aus dem Wasser und schwebt einen Meter darüber. „Man hat kaum noch Wasserwiderstand und kann ziemlich schnell werden.“ Er erreiche mit dem Foil bis zu 60 Stundenkilometer. Dank des geringen Wasserwiderstandes könne man außerdem bereits bei schwachem Wind gut fahren. „Ich persönlich fahre gerne in Schwachwind. Das Wasser ist dann spiegelglatt. Wenn nicht gerade ein Wettkampf stattfindet, ist man komplett allein auf dem Wasser.“

Viele Sportarten ausprobiert

Seit zehn Jahren steht Jannis mit beiden Beinen fest im Wind. Beigebracht hat ihm das Kiten sein Vater – selbst Autodidakt – auf dem Ijsselmeer in Holland. Mit Board und Schirm fand Jannis sich schnell zurecht. Kein Wunder, denn sein Leben war schon immer sehr durch Sport geprägt: Ob Kickboxen, Tennis, Judo oder Wasserski, Skifahren, Snowboarden, Squash oder Badminton – kaum eine Sportart, die Jannis noch nicht ausprobiert hat. „Selbst Kinderballett hab ich mal gemacht“, erzählt er lachend. Mit 13 Jahren nahm Jannis an seinem ersten Kitesurf-Wettkampf teil, seitdem ging es bergauf: Sponsoren kamen auf ihn zu und mit ihnen die nationalen und internationalen Wettkämpfe.

Nach dem Abitur ist Jannis ein Jahr lang herumgereist, hat unter anderem das Surferparadies Maui in Hawaii erkundet und als Skilehrer gearbeitet. Zum Studium zog es den gebürtigen Oldenburger dann aber doch in seine Heimatstadt zurück. „Zuerst wollte ich Pilot werden“, erzählt Jannis. Den ersten Test hatte er schon bestanden, da setzte die Lufthansa die Pilotenausbildung vorrübergehend aus. Daraufhin liebäugelte er mit Bionik und Sport, entschied sich aber letztendlich für das Chemiestudium in Oldenburg. „Ich finde Chemie super interessant. Man lernt viel über den Alltag.“ Außerdem sei das Studium relativ breit gefächert – das eröffne ihm nach den Bachelorabschluss viele Möglichkeiten, sich zu spezialisieren.

Am liebsten würde Jannis jedoch das Kiten zu seinem Beruf machen: „Es sieht ganz gut aus, dass Kitesurfen 2020 oder 2024 olympisch wird. Ich hätte Lust, entweder selbst darauf hinzuarbeiten oder den Nachwuchs zu trainieren.“ Die Aufnahme in das Olympia-Programm sei entscheidend dafür, ob in eine Sportart Geld investiert werde. Momentan lasse sich vom Kiten allein nicht leben, Preisgelder gebe es für die Sportler nur selten. Entsprechend hat Jannis mit ähnlichen Sorgen wie andere Studenten zu kämpfen: „Ich versuche mir sowohl in den Winter- als auch in den Sommerferien einen Slot freizuhalten, um ein bisschen Geld zu verdienen.“

Zeit auf dem Wasser ist wie Urlaub

Für die vorlesungsfreie Zeit hat Jannis große Pläne: Zunächst geht’s mit dem Team seines Sponsors für einen Videodreh und Wettkampf nach San Francisco. Anschließend möchte er mit einem Freund Dänemark auf dem Kite umrunden: 1.200 Kilometer auf dem Wasserweg. „Wenn wir am Tag fünf Stunden fahren, ist das in sechs bis acht Tagen geschafft“, meint Jannis. Die Zeit auf dem Wasser ist für ihn wie Urlaub. „Ich bin ein total naturverbundener Mensch. Und naturverbundener als beim Kiten geht’s fast nicht. Man ist völlig auf sich allein gestellt.“

Sollte es mit Olympia doch nicht klappen, könnte sich der Sportfan vorstellen, in Oldenburg einen Master anzuschließen, beispielsweise Erneuerbare Energien oder auch Meereschemie. Denn so richtig weg möchte er von hier eigentlich nicht. „Das Problem ist, dass Oldenburg so eine tolle Stadt ist. Zum Kiten sind Kiel oder Flensburg zwar praktischer, aber die gefallen mir beide nicht ganz so gut.“ Sollte er nach dem Bachelor weiter studieren, könne er sich aber gut vorstellen, ein Semester im Ausland zu verbringen – zum Beispiel in Chile. Dorthin hat er während seiner Zeit auf Maui bereits Kontakte geknüpft.

Wenn Jannis von seinen Kite-Kollegen erzählt, spricht er gern von seiner Kite-Family. Auf Wettkämpfen trifft er häufig die gleichen Leute, mit vielen ist er seit Jahren befreundet. „Das Coole am Kiten ist, dass die Leute nicht so verbissen sind. Klar, wenn Wettkampf ist, ist man knallharter Gegner. Aber wenn man nicht gerade gegeneinander fährt, hilft man sich gegenseitig. Der Sportgedanke selbst steht im Vordergrund.“ Dass auch seine Kommilitonen gelegentlich bei Wettkämpfen zuschauen, freut Jannis: „Mir ist es wichtig, Freunde und Kiten zusammenzubringen. Das sollen nicht zwei Welten bleiben.“ Dazu gehört auch Feiern in der Innenstadt – auf dem Brett steht er am nächsten Tag aber trotzdem.

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