Ökologie und Ökonomie gelten oft als Gegensätze. Für Jörn Hoppmann, Professor für Management am Department für Wirtschafts- und Rechtswissenschaften, ist Nachhaltigkeit hingegen eine erfolgversprechende Unternehmensstrategie – er untersucht insbesondere die Sektoren Mobilität und Energie.
Wer in den 1980er Jahren im Wendland aufwuchs, verbrachte seine Kindheit inmitten von Atomkraft-Gegnern, Öko-Aktivisten und ersten Biobauern. Einer, der dazu gehörte: Jörn Hoppmann, 1982 im niedersächsischen Gifhorn geboren, heute Professor für Management an der Universität Oldenburg. Auch wenn seine Fachrichtung zunächst anderes vermuten lässt: Das Thema Nachhaltigkeit, das im Wendland schon länger im Bewusstsein der Menschen verankert ist als anderswo, zieht sich als roter Faden durch Hoppmanns Leben. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit nachhaltigen Unternehmensstrategien, organisationalem Wandel und technologischen Innovationen.
Seine Kindheit stand im Zeichen des Protests. Hoppmanns Eltern beteiligten sich in den 1990er Jahren an den Demonstrationen der Anti-Atomkraftbewegung: Der Vater als Physik- und Chemielehrer und die Mutter als Biologie- und Physiklehrerin wussten und wissen um die Gefahren eines Endlagers. „Protest ist ein wirkungsvolles Mittel, um Veränderungen anzustoßen“, ist Hoppmanns Erfahrung aus dieser Zeit. Tatsächlich gilt das Wendland inzwischen als Vorzeigeregion für Bio-Landwirtschaft, Windkraft und nachhaltigen Tourismus. Aktuelle Bewegungen wie „Fridays for Future“ hält der Wirtschaftswissenschaftler daher für wichtig, um Lösungen für die Klimakrise zu finden: „Aus wissenschaftlicher Perspektive lässt sich feststellen, dass sozialer Wandel auch neue Gesetze und Regularien hervorbringt, die wiederum einen technologischen und organisationalen Wandel anstoßen.“ Tatsächlich ist Hoppmann jemand, der die Disziplinen zusammen denkt; der versucht, Unternehmensstrategien, Klimawandel und Nachhaltigkeit gewinnbringend zusammenzuführen, der es schafft, Führungskräfte großer Firmen und Ökologen an einen Tisch zu holen und ihnen vorrechnet, dass Klimaschutz und Gewinn einander nicht ausschließen müssen: „Kein größeres Unternehmen kann es sich heute noch leisten, auf eine Nachhaltigkeitsstrategie zu verzichten“, ist Hoppmann überzeugt.
Ein Dreiklang
Der Dreiklang aus Innovation, Strategie und Nachhaltigkeit charakterisiert Hoppmanns Forschung an der Universität Oldenburg. Auch privat versucht er, sein Leben möglichst nachhaltig zu gestalten. Als Berufspendler verbringt er viel Zeit im Zug: Seine Frau und sein einjähriger Sohn leben in Hamburg. Stets arbeitet der 38-Jährige daran, seinen CO2-Fußabdruck so klein wie möglich zu halten, ohne missionarisch zu sein. „Ich will nicht behaupten, dass ich alles perfekt umsetze. Ich sehe mich jedoch in der Verantwortung, auch gegenüber den Studierenden“, betont er. In einer Vorlesung etwas zu vermitteln, das er selbst nicht lebt – das wäre für ihn nicht zu vereinbaren.
2002, als Hoppmann sein Abitur als Jahrgangsbester ablegt, steht das Thema Nachhaltigkeit für ihn zunächst nicht im Vordergrund. Nach dem Zivildienst studiert er Wirtschaftsingenieurwesen mit Schwerpunkt Maschinenbau in Braunschweig. Die Vielfalt begeistert ihn, der Mix aus Betriebswirtschaftslehre und Ingenieurwissenschaften, aus Physik, Mathe, aber auch aus Jura und Politik. Während viele seiner Kommilitonen bereits ihre Karrieren in der Automobilindustrie planen, hat Hoppmann noch keinen klaren Fokus. Er beschäftigt sich zunehmend mit Innovationsthemen: Wie gelingt es einem Unternehmen, innovative Produkte zu entwickeln und am Markt zu platzieren? Das Thema Nachhaltigkeit als Strategie besetzt in den Führungsetagen zu jenem Zeitpunkt allenfalls eine Nische.
Der Student lernt bei Porsche Consulting in Stuttgart, wie eine schlanke Produktentwicklung funktioniert und arbeitet als Praktikant bei einer der weltweit größten Unternehmens- und Strategieberatungsgesellschaften in Frankfurt, der Boston Consulting Group. An diesem Punkt stellen sich die Weichen für Hoppmanns künftigen Weg: Auch wenn in der Industrie lukrative Jobangebote und Karrierechancen locken, entscheidet er sich für die Wissenschaft.
Ein USA-Aufenthalt in Cambridge am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) stellt die Weichen: Hoppmann schreibt dort seine Masterarbeit über Innovation und schlanke Produktentwicklung: „Ich kam an den Punkt, dass ich wusste, die wissenschaftliche Arbeit macht mir sehr viel Spaß und ich will promovieren, aber zu einem Thema, das ich für sinnvoll halte und das meine Interessen im Bereich Wirtschaftswissenschaften, Nachhaltigkeit und Technologie verbindet.“
Hoppmann organisiert zunächst für das MIT den ersten Nachhaltigkeitskongress überhaupt und findet damit endgültig sein Steckenpferd. Anschließend bewirbt er sich an der ETH Zürich für eine Promotion in der Gruppe für Nachhaltigkeit und Technologie. Das Problem: Trotz Bestnoten kann der junge Wissenschaftler kaum mehr als intrinsische Motivation an dem Thema Nachhaltigkeit nachweisen. Doch er überzeugt das Auswahlgremium in der Schweiz trotzdem. Von da an lässt ihn die Nachhaltigkeit nicht mehr los, er spezialisiert sich auf erneuerbare Energien. 2013 promoviert Hoppmann an der ETH am Department Management, Technologie und Ökonomie und erhält die ETH-Medaille für die beste Promotion des Departments. In seiner Arbeit untersucht er, wie Innovationen für saubere Energietechnologien entstehen, insbesondere in der Photovoltaikindustrie. Während der Promotion forscht er auch als Research Fellow an der „Energy Technology Innovation Policy Group“ der Harvard University: „Der Aufenthalt hat mich sehr geprägt, da die Amerikaner eine sehr andere Perspektive auf den Energiesektor hatten und auch die deutsche Energiewende nur wenig verstanden wurde.“
In seiner Postdoc-Zeit in Zürich setzt sich Hoppmann damit auseinander, wie die großen Energieversorger in der Schweiz und Deutschland auf die Energiewende reagieren. „Dies war eine logische Weiterentwicklung der Forschung aus meiner Promotion“, berichtet er. Denn die politische Lage hatte sich in der Zwischenzeit geändert: Die erneuerbaren Energien waren durch die politische Förderung sehr viel günstiger geworden. Etablierte Unternehmen wie die Energieversorger wurden gezwungen, ihre Strategien zu ändern. Sie setzten neue Einheiten auf, die sich spezifisch den erneuerbaren Energien widmeten. Wie diese großen Firmen Nachhaltigkeit als Strategie entdeckten und organisatorisch umsetzten, war für Hoppmann ein spannendes Forschungsthema.
Zurück im Norden
Mit der Rückkehr nach Deutschland und insbesondere nach Oldenburg, ist Hoppmann seiner Heimat wieder deutlich nähergekommen: „Der Norden gefällt mir einfach!“ Und er war überrascht, wie stark der Oldenburger Studiengang „Sustainability Economics and Management“ ist: „Ein Aushängeschild der Universität.“
Als Inhaber der Professur für Management hat er seinen empirischen Fokus inzwischen erweitert, seine Arbeitsgruppe beschäftigt sich neben dem Energiesektor auch mit der Mobilitätswende. „Wir haben uns entschieden, den Mobilitätssektor genauer anzusehen, weil er – wie die erneuerbaren Energien – eine wichtige Rolle für den Klimawandel spielt. Die Dynamiken verlaufen erstaunlich parallel“, erklärt der Wissenschaftler. Auch in diesem Fall sind politische Impulse entscheidend, um neue Technologien auf den Markt zu bringen. Etablierte Unternehmen sind gezwungen, auf politische Entwicklungen strategisch zu reagieren, indem sie ihre Produkte und Geschäftsmodelle verändern. „Aktuell interessiert uns beispielsweise, wie die etablierten Automobilhersteller es schaffen können, innerhalb kürzester Zeit eine große Zahl ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf neue Gebiete wie Elektromobilität, autonomes Fahren oder Carsharing vorzubereiten.“
Zunehmend an Bedeutung gewinnt in diesem Zusammenhang die Digitalisierung, die den Wandel mit vorantreibt. So untersucht Hoppmann momentan mit seinem Team in verschiedenen Projekten, welche Rolle digitale Plattformen für die Verkehrswende spielen und inwiefern Unternehmen, die auf digitale Lösungen setzen, schnell wachsen müssen, um sich im Markt behaupten zu können. Erste Ergebnisse zeigen, dass Plattformunternehmen im Mobilitätssektor besonderen Herausforderungen gegenüberstehen, da sie viele Schnittstellen zwischen der physischen und virtuellen Welt koordinieren müssen.
Außerdem forscht der 38-Jährige daran, wie sich in Industrien Wertschöpfungsketten im Sinne einer Kreislaufwirtschaft aufbauen lassen. Wissenschaftler definieren diese Wirtschaftsform im Gegensatz zur Wegwerfproduktion als System, das möglichst wenig Energie und Ressourcen verbraucht und Abfälle sowie Emissionen minimiert, etwa durch langlebige Produkte, Instandhaltung und Wiederverwendung. Experten sind sich einig, dass diese zirkuläre Wirtschaft einen großen Beitrag leisten könnte, um Ressourcen zu schonen und Kohlendioxid einzusparen. Die EU hat längst ambitionierte Ziele formuliert. „Bisher ist aber unklar ist, wie genau diese erreicht werden sollen und wie einzelne Unternehmen, beispielsweise Verpackungshersteller, Recycler oder Einzelhändler sich in diesem Wandel positionieren“, erklärt Hoppmann. Genau hier setzt er mit seinem Team an. In einem aktuellen Projekt untersucht Hoppmann beispielsweise, welche Faktoren auf Unternehmensebene dazu geführt haben, dass trotz der EU-Ziele die Mehrwegquote im Getränkesektor seit Jahren rückläufig ist und sich stattdessen ökologisch wenig vorteilhafte Einwegverpackungen durchsetzen.
Unter den Studierenden genießt der 38-Jährige einen hervorragenden Ruf: Für seine Vorlesung „Einführung in die Betriebswirtschaftslehre“ erhielt er in seinem ersten Jahr an der Universität den „Preis der Lehre“ für die „beste Vorlesung“ 2017/2018. Hoppmann ist die Nähe zu den Studierenden wichtig: „Zum einen geht es darum, ihnen eine solide Grundausbildung mitzugeben, aber im Idealfall werden aus ihnen auch sozial- und ökologisch verantwortliche Bürgerinnen und Bürger, Mitarbeitende und Führungskräfte. Das liegt mir am Herzen.“ Für ihn sind Vorlesungen ein wichtiger Hebel: „Um den Nachhaltigkeitsgedanken in den Köpfen der Studierenden zu verankern.“
Dieser Artikel stammt aus der aktuellen Ausgabe des Forschungsmagazins EINBLICKE.