Sonder- und inklusionspädagogische Inhalte in der irakischen Lehrkräftebildung dauerhaft verankern: Das ist Ziel eines Kooperationsvorhabens unter Leitung des Oldenburger Sonderpädagogen Clemens Hillenbrand.
Wie viele Kinder und Jugendliche an irakischen Schulen haben sonderpädagogischen Förderbedarf? „Diese Zahl würde ich sehr gerne kennen“, sagt Prof. Dr. Dawood S. Atrushi. Doch verlässliche Daten dazu gebe es nicht. Atrushi ist Präsident der Universität Dohuk im kurdischen Teil des Iraks. Gemeinsam mit Mitgliedern der Hochschulleitungen weiterer irakischer Universitäten – Garmian, Kufa, Mossul und Zakho – war er im Juni in Oldenburg zu Gast. Ihr Ziel: Das Thema Inklusion in den irakischen Hochschulen zu verankern und Lehrkräfte für inklusive Bildung auszubilden. Denn der Bedarf ist in dem von Krieg und Terror geprägten Land enorm – auch wenn genaue Zahlen dazu fehlen.
„Unser übergreifendes Anliegen ist, die Rechte von Menschen mit Behinderungen gemäß der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen, die der Irak im Jahr 2013 ratifiziert hat, zu stärken“, erläutert Prof. Dr. Clemens Hillenbrand. Der Oldenburger Sonderpädagoge leitet das vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) geförderte Projekt „Professional Development in Special Needs Education in Iraqi Universities“ – und führt damit eine seit fast zehn Jahren bestehende Kooperation fort, die die inzwischen emeritierte Sonderpädagogin Prof. Dr. Monika Ortmann initiierte.
Im Zuge der Kooperation hat die Hochschule in Dohuk inzwischen den Bachelorstudiengang „Disability Studies and Rehabilitation“ etabliert. Rund 490 Studierende haben das Programm seit 2018 absolviert. Die Lehre um diesen Bereich zu erweitern sei ein großer Schritt gewesen, sagte Atrushi während des Besuchs in Oldenburg. Die Zusammenarbeit mit den deutschen Hochschulen – neben Oldenburg sind die Universitäten Vechta und Flensburg beteiligt – sieht er als sehr gewinnbringend. Auch dank der Unterstützung durch die Oldenburger Universitätsleitung.
Fachkräfte als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren vor Ort aktiv
Die anderen irakischen Universitäten kooperieren seit 2019 mit der Oldenburger Sonderpädagogik. In der ersten Projektphase entstanden sonder- sowie inklusionspädagogische Aus- und Fortbildungsangebote an den teilnehmenden Hochschulen. Die dabei qualifizierten Fachkräfte sind inzwischen als wichtige Multiplikatorinnen und Multiplikatoren vor Ort aktiv. „Nächster Schritt ist, an den irakischen Hochschulen strukturierte Programme für Lehramtsstudierende zu entwickeln mit einem besonderen Fokus auf sonder- und inklusionspädagogische Inhalte“, erläutert Hillenbrand.
An der Universität Mossul beispielsweise, der zweitgrößten des Landes, spiele die Ausbildung von künftigen Lehrkräften ohnehin eine große Rolle, erläutert Universitätspräsident Prof. Dr. Kosay Kamalaldeen Dawod Al-Ahmady. Auch aus diesem Grund möchte die dortige Hochschulleitung die Zusammenarbeit mit der Universität Oldenburg intensivieren. Al-Ahmady und Universitätspräsident Prof. Dr. Ralph Bruder unterzeichneten während des Besuchs eine entsprechende Vereinbarung (Memorandum of Understanding).
Und auch über formelle Vereinbarungen hinaus konnte das Treffen der Projektpartner in Oldenburg Raum für neue Ideen schaffen. So besuchten die Gäste unter anderem die Oberschule Alexanderstraße in Oldenburg, um die Praxis inklusiven Schulunterrichts kennenzulernen – und sich über konkrete Ideen auszutauschen. Etwa, welchen Beitrag Sportunterricht und Sportlehrkräfte zur Inklusion leisten können.
Insgesamt, so resümiert Hillenbrand, gebe es in den fünf beteiligten Universitäten ein großes Engagement dafür, künftige Lehrkräfte für den Umgang mit Kindern mit Behinderung zu sensibilisieren. Nun gelte es, die Hochschulen auf ihrem Weg weiter zu unterstützen und entsprechende strukturierte Ausbildungsangebote zu verankern.